Politologe: "Es könnte auch Pippi Langstrumpf antreten"
Nach der Wahl in Kärnten: Der österreichische Politologe Peter Filzmaier erklärt das Phänomen der Rechtspopulisten, das Ende der Ära Haider – und die Folgen für Österreich.
Wien - Österreich hat seinen nächsten Populisten: Der Milliardär Frank Stronach (80) hat aus dem Stand bei den Landtagswahlen am Wochenende zehn Prozent geholt.
„Die Lage, wie wir wissen, ist rundherum beschissen, weil unser schönes Land ist irgendwie am Sand“: Mit diesem Wahl-Song tritt Frank Stronach auf. Der Milliardär hat in Kärnten und Niederösterreich zehn Prozent geholt, mit (rechts-)populistischen Slogans und viel Euro-Skepsis. Der Gründer des Autozulieferer-Konzerns Magna, auch mal als Opel-Käufer im Gespräch, wird auch landesweit antreten, allerdings ist er aus Steuerspar-Gründen überwiegend in seiner Wahlheimat Kanada.
Die AZ fragte bei Peter Filzmaier nach, einem der renommiertesten Politologen Österreichs.
AZ: Herr Professor Filzmaier, können Sie uns das Wahlergebnis erklären?
PETER FILZMAIER: Wir haben eine zweistellige Prozentzahl von Enttäuschten. Das Potenzial wär’ sogar noch größer als das, was Stronach bekommen hat. Für jemanden, der anders ist. Wie anders genau, ist gar nicht so wichtig. Es könnte auch Pippi Langstrumpf antreten. Sobald man zeigt, dass man anders ist als die Etablierten, kann man kurz- und mittelfristig Stimmen abholen, speziell, wenn man wie Stronach Millionen für Wahlwerbung ausgeben kann. Er ist auf Bundesebene ebenfalls zweistellig, es gibt wenig, was die anderen Parteien gegen ihn tun können.
Dafür ist aber offensichtlich die Ära Haider vorbei.
Ja. Bei der letzten Wahl in Kärnten hatten wir die paradoxe Lage, dass im Grunde ein Toter gewählt wurde, weil er erst kurz zuvor verunglückt ist. Das war eine Haider-Gedächtniswahl. Dann aber ist sein System implodiert durch Skandalfälle, die so schwerwiegend waren, dass sogar die übliche Strategie mit der Nationalstolzkarte nicht mehr aufgegangen ist.
Sind es also die alten Haider-Fans, die zu Stronach übergelaufen sind?
Es ist ein bisschen komplizierter. Bei den jüngeren Männern sind es in der Tat Ex-Haider-Wähler, aber insgesamt gewinnt er am meisten von früheren Nichtwählern. Und auch von der SPÖ. Der typische Stronach-Wähler ist männlich und frustriert.
Was heißt das für die landesweiten Wahlen im Herbst?
Szenario eins: Haiders Erben werden mehr oder weniger von Stronach abgelöst, dann ändert sich wenig, es bleibt die große Koalition. Szenario zwei: Stronach legt zusätzlich deutlich zu, dann wären Dreier-Mehrheiten erforderlich. Und das wird sehr schwierig werden.
Dass in langen Zeiten großer Koalition die Ränder erstarken, kennt man. In Österreich sind es aber vor allem Rechtspopulisten.
Stimmt. Österreich ist eher konservativ als liberal. Es gibt seit Jahren rechnerisch klare Mehrheiten rechts der Mitte, wenn man alle Parteien zusammenzählt. Aber: Diese Mehrheit wird in der Realität nie zustandekommen, weil die Mitte-Rechts-Parteien nie zusammenarbeiten werden. Das ist ein bizarres Hin- und Hergewechsel zwischen FPÖ, BZÖ und jetzt Stronach, das sind ja oft die gleichen Leute. Aber ja: Bei uns sind die Populisten eher rechts.
Wie stark sind die Parallelen zu anderen Protestbewegungen – Beppe Grillo oder die Piraten in Deutschland?
Die Zahl der Enttäuschten ist in allen europäischen Ländern hoch. Es kommt darauf an, wer sie abholt: Grillo ist links, Stronach ist rechts. Ihr einziger gemeinsamer Nenner: Sie sind anders, und sie sind gegen „die da oben“.
Wobei Italien und andere Südeuropäer durchaus in der Krise stecken, aber Österreich geht’s doch ganz gut.
Angenommen, Sie haben eine ganz leichte Verkühlung, einen Tropfen Schnupfen, ein sanftes Kratzen im Hals und einen Selbstmitleidsfaktor von 99 Prozent. Krank sind die mit Lungenentzündung, Spanien und Co. Aber Sie wollen mit Ihrem Empfinden ernst genommen werden. Und wer Ihr Selbstmitleid bedient, der hat gute Chancen.
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