„Politik ist nicht, allen alles zu versprechen“
MÜNCHEN - Martin Zeil (FPD), Wirtschaftsminister in Bayern, keilt im AZ-Interview gegen Ministerpräsident Horst Seehofer und fordert seinen Bundeskollegen Guttenberg zum Parteiwechsel auf
Zunder bei Schwarz-Gelb: In der bayerischen Regierungskoalition wird das Gestichel immer heftiger, je näher die Bundestagswahl rückt. Dabei wollen ihre beiden Parteien ja zusammen gewinnen. Die AZ sprach mit dem bayerischen Vize-Ministerpräsidenten Martin Zeil.
AZ: Herr Zeil, Seehofer giftet, dass er jetzt auch noch Wirtschaftsminister machen müsse. Er lästert, Sie seien unprofessionell und hätten Ihr Ministerium nicht im Griff. Wird er Sie bald entmachten?
MARTIN ZEIL: Wenn Seehofer Wirtschaftsminister wäre, würden das manche eher als Drohung statt als frohe Botschaft empfinden. Ich hab’ schon überlegt, ob ich ihm einen Rollentausch vorschlage: Ich bring’ die Staatskanzlei auf Vordermann. Und er kann in einem Wirtschaftsministerium lernen, wie man statt täglichem Aktionismus auf die Zukunft ausgerichtete Wirtschaftspolitik macht.
AZ: Sie werfen sich also gegenseitig vor, dass es der andere nicht kann. Da ist Bayern ja ausgerechnet in der Krise ganz schön arm dran.
Zeil: Ich bedaure, dass durch die CSU unsere gute gemeinsame Politik falsch dargestellt wird. Die Menschen haben nichts von Wahlkampf-Inszenierungen. Ich habe eine exzellente Mannschaft in dem vorher jahrzehntelang CSU-geführten Wirtschaftsministerium vorgefunden. Aber die Menschen wollten bei der Landtagswahl auch einen Politikwechsel. Wir haben in der kurzen Zeit sehr viel bewegt. Vor allem für den Mittelstand. Wir haben auch diese schwierige Gratwanderung bei Staatshilfen exzellent hinbekommen. Wirtschaftspolitik ist etwas anderes, als jeden Tag allen alles zu versprechen.
AZ: Meinen Sie damit Seehofer?
Zeil: Nicht nur ihn. Es gibt einige Politiker, die den Eindruck erwecken, als könnte der Staat alles richten, was in einer weltumfassenden Wirtschaftskrise angerichtet wurde. Wie mein Bundeskollege Karl-Theodor zu Guttenberg weise auch ich immer darauf hin, dass die Wirtschaftspolitik den Kompass nicht verlieren darf. Das erwarten auch die Bürger von uns. Wir sind nur die Treuhänder der Steuerzahler. Das aber scheinen manche zu vergessen.
AZ: Dem Mittelstand hilft dieses Gezänk nicht. Die Banken bekommen vom Steuerzahler Staatshilfen, die mittelständischen Unternehmen aber keine Kredite mehr von den Banken. Und die Staatsregierung streitet sich.
Zeil: Das ist auch meine Sorge. Mit diesen kleinlichen Zänkereien seitens der CSU ist keinem geholfen. Damit rette ich keinen einzigen Arbeitsplatz. Genau so wenig wie durch Wahlkampf-Inszenierungen, wo manche mit dem leeren Füllhorn durchs Land fahren. Helfen können wir nur mit beharrlicher Arbeit. Wir haben mit unserem Mittelstandsschirm über tausend kleinen Unternehmen helfen können.
AZ: Sie spielen jetzt den Heiligen. Aber in Berlin schießt FDP-Bayern-Chefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger gegen CSU-Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Der habe bisher noch nichts geleistet.
Zeil: Dass sie mal kritische Fragen an den Bundeswirtschaftsminister stellt, ist doch zulässig. Ich kenne keine Entscheidung aus Berlin, wo für den bayerischen Mittelstand etwas Positives rausgekommen ist. Da darf man doch mal fragen.
AZ: Wer hat jetzt mehr Angst: Die FDP vor Guttenberg, dass er ihre Wähler zur Union holt? Oder die CSU vor der FDP, dass ihre abtrünnigen Wähler bei der Bundestagswahl nochmal gelb wählen?
Zeil: Wir haben vor gar niemandem Angst. Guttenberg ist in seiner eigenen Partei und auch in der Bundesregierung völlig isoliert mit dem, was er sagt. Von seinen eigenen Leuten ist er da meilenweit entfernt.
AZ: Aber dafür nahe an der FDP?
Zeil: Wir nehmen jeden aus der Union gerne auf, der auf den Pfad der Sozialen Marktwirtschaft zurückfindet. Wenn Guttenberg das auch durchsetzen will, was er sagt, dann muss er froh sein, wenn eine starke FDP in der neuen Bundesregierung sitzt, die ihm dabei hilft.
AZ: Wird künftig Schwarz-Gelb Deutschland regieren?
Zeil: An der FDP wird eine Koalition in Berlin nicht scheitern, sondern, wenn überhaupt, dann an der Schwäche der Union und ihrem unklaren Kurs. Bei den drei Landtagswahlen am Sonntag werden alle sehen, wo die Union aktuell steht, obwohl sie Bundeskanzlerin Angela Merkel stellt. Int.: bö, sun, tan