Polen - Eine Nation im Schockzustand
Der Verkehr steht still, die Menschen halteninne: Die Polen trauern um ihren verunglückten Präsidenten. Trotzdem geht das Leben weiter:Bis Mitte Juni soll es Neuwahlen geben
Ein Land unter Schock: Nach dem Tod von Lech Kaczynski trauert Polen um seinen verunglückten Präsidenten. Am Sonntagmittag stand das Land für zwei Minuten still – als die Alarmsirenen um 12 Uhr aufheulten, blieben Menschen überall in Polen auf der Straße stehen, Autos stoppten.
Vor dem Parlament in Warschau würdigte Ministerpräsident Donald Tusk seinen früheren politischen Widersacher mit einem Kniefall. In Krakau klang vom Turm der Marienkirche statt der üblichen Mittagsmelodie das Lied „Tränen der Mutter“. Durchaus eine Besonderheit: Das Stück war dort zuletzt nach dem Tod von Papst Johannes Paul II. gespielt worden.
Zehntausende hatten sich bereits am Samstag vor dem Palast des Präsidenten in Warschau versammelt. Sie trugen Kerzen, legten Blumen ab, beteten, sangen patriotische Lieder, weinten oder umarmten sich spontan und machten sich gegenseitig Mut. Auch zur Warschauer Wohnung der Familie Kacynski kamen Trauernde und schrieben sich in Kondolenzbüchern ihre Erschütterung von der Seele.
In dem Land gilt nun eine einwöchige Staatstrauer. Einen Termin für eine offizielle Trauerfeier für Kacynski und die anderen 95 beim Flugzeugabsturz Verunglückten gibt es noch nicht. Die Särge mit dem Präsidenten-Paar sollten noch gestern nach Warschau gebracht werden.
Auch in anderen Ländern ist die Betroffenheit groß: Russland wird heute einen Staatstrauertag abhalten – eine Geste von immenser Bedeutung für die russisch-polnische Aussöhnung. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat Trauerbeflaggung in Deutschland am Tag der Trauerfeier angeordnet.
Trotz des Unglücks geht das Leben in Polen weiter: Der Parlamentschef Bronislaw Komorowski hat gemäß der Verfassung bis zur Neuwahl die Staatsgeschäfte übernommen. Innerhalb von 14 Tagen will er einen Wahltermin festsetzen. Der Urnengang muss dann an einem Sonntag innerhalb von 60 Tagen nach dieser Entscheidung stattfinden – also bis spätestens 20. Juni. Komorowski wird wohl selbst bei der Präsidentenwahl antreten. Er war bereits Ende März von der liberalen Regierungspartei Bürgerplattform PO zu ihrem Kandidaten ernannt worden.
Ursprünglich sollten die Präsidentenwahlen im Herbst stattfinden. Kaczynskis Kandidatur galt als sicher. In ersten Spekulationen wird Lech Kaczynskis Bruder Jaroslaw als möglicher Ersatzkandidat der konservativen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ für das verstorbene Staatsoberhaupt gehandelt.
Neben Lech Kaczynski verlor noch ein Kandidat das Leben – Vize-Parlamentschef Jerzy Szmajdzinski. Der ehemalige Verteidigungsminister wollte für die sozialdemokratische Linke antreten. Damit sind von den drei aussichtsreichsten Kandidaten für das Präsidentenamt zwei tot.kasa
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