Piraten-Partei: Die neue Kraft?
Jetzt ist klar: Die Piraten waren kein Einmal-Hype im besonderen Biotop Berlin – sondern sie sprechen überall Wähler an. Und sie können damit die Parteienlandschaft umpflügen.
Berlin - Nach Berlin hat die Piratenpartei im Saarland das zweite Landesparlament geentert: Künftig stellen sie dort vier Abgeordnete – doppelt so viele wie die Grünen. Eine Eintagsfliege sind sie also nicht. Aber wie geht es weiter? Die AZ hat mit einem Politikwissenschaftler gesprochen.
Wo sind die nächsten Chancen? Schon im Mai könnten die Piraten in die nächsten Landtage einziehen: In Schleswig-Holstein, wo am 6. Mai gewählt wird, stehen sie bei fünf Prozent. In Nordrhein-Westfalen (13. Mai) sind es sechs Prozent, auf Bundesebene, wo im Herbst 2013 gewählt wird, fünf bis sieben Prozent. Schaffen sie den Sprung nicht, ist die Frage, ob sie das überlebt, glaubt Stephan Klecha, der am Göttinger Institut für Demokratieforschung über die junge Partei forscht.
Ist die Piratenpartei eine Splitter- oder Spaßpartei? „Die Piratenpartei ist auf dem Weg von der Kleinpartei zur etablierten Partei“, so Klecha. „Die zentrale Frage wird sein, ob es gelingt, die Wähler dauerhaft an sich zu binden.“
War es bei den Grünen nicht genauso? Zwar waren die Grünen im Vorfeld stärker organisiert, zum Beispiel in verschiedenen Bürgerbewegungen. Doch es gibt Ähnlichkeiten zwischen den Anfängen der Grünen und den Piraten: „Die größte Ähnlichkeit ist die Art, Politik zu machen“, sagt Klecha. Basisdemokratisch. Spielerisch. Unangepasst. „Die Piraten berauschen sich daran, unangepasst zu sein.“ Und noch eine Ähnlichkeit gibt es: „Die Mitglieder sind eine recht homogene Gruppe.“ Unter den jungen Grünen waren viele Lehrer. Bei den Piraten sind es vor allem junge Männer „mit technisch-naturwissenschaftlichem Bezug“, so Klecha. Nur zehn bis 20 Prozent der Mitglieder seien Frauen. Ähnlich ist es bei den Wählern: Vor allem junge Männer machen ihr Kreuzchen bei den Piraten.
Was ist das größte Hemmnis der Piraten? Auch die Piratenpartei braucht eine schlagkräftige Organisation. Doch können und wollen die Piraten das? „Um einen hauptamtlichen Parteiapparat zu betreiben, dafür ist zu wenig Geld da“, sagt Klecha. Das größte Problem: Die Eigeneinnahmen sind zu gering. Daraus errechnen sich die Mittel, die vom Staat fließen – für jeden Euro Mitgliedsbeitrag oder Spende gibt’s vom Staat 38 Cent dazu. Konkret heißt das: Für den Wahlkampf in NRW haben die Piraten etwa 120000 Euro zur Verfügung, wovon der Großteil für die Parteitage gebraucht wird. Zum Vergleich: Die FDP hatte im vergangenen NRW-Wahlkampf etwa das Sechsfache. Dabei ist Geld nicht alles: „Im Moment gleichen die Piraten diesen Punkt durch persönliches Engagement aus.“ Es sei aber unsicher, ob sich das fortsetzen lässt. Schon ist das Frustpotential hoch: „In Berlin nimmt die Debatte zu zwischen den Mitgliedern der ersten Stunde und denen, die nach der Wahl, dem ,Goldrausch’, dazugestoßen sind.“
Was bedeutet das für die anderen Parteien? Bislang greifen die Piraten von allen etablierten Parteien Wähler ab: Und die nehmen die neue Konkurrenz langsam ernst. Viele Wahlforscher gehen davon aus, dass die Existenz der Piraten auch in den Parlamenten zunächst für mehr große Koalitionen sorgt: weil sie den klassischen Lagern die entscheidenden Prozentpunkte zur Mehrheit abnehmen. So wäre es nach den aktuellen Umfragen auch in Bayern. Mittelfristig könnten sie dagegen zu neuen Koalitionspartnern werden – und damit ganz neue Konstellationen eröffnen. Das hängt aber entscheidend von der inhaltlichen Entwicklung der Piraten ab, ob sie es schaffen, sich breiter und solider aufzustellen. Theoretisch haben sie durchaus ihren Platz: als Partei der digitalen Revolution, so wie die Grünen die Partei des Öko-Bewusstseins waren. Praktisch wird sich noch zeigen, wohin das junge Pflänzchen wächst.
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