Österreich: Das blaue Wunder

Die Rechte ist fast schon wieder so stark wie unter Jörg Haider. Das hat Gründe - aber es deuten sich auch Alternativen an. Ein Kommentar zur Wahl in Österreich von AZ-Redakteur Stephan Kabosch.
von  Stephan Kabosch

Das war kein typisch austriakisches Protesterl, das war schon eine knallharte Abrechnung mit Österreichs großer Koalition. SPÖ und ÖVP haben es gerade noch einmal geschafft, sie dürfen weiterregieren. Doch beide Parteien sind bei der Parlamentswahl am Sonntag auf einen historischen Tiefststand gefallen. Das eigentliche, das beunruhigende Signal, das von der Alpenrepublik ausgeht, lautet: Gut jeder fünfte Österreicher hat die FPÖ gewählt. Österreichs Rechte ist schon fast wieder so stark wie unter Jörg Haider. Und wenn man FPÖ, das Team Stronach des gleichnamigen milliardenschweren Austrokanadiers und das BZÖ (ein Haider-Erbe) zusammennimmt, dann hat sogar ein knappes Drittel der Österreicher für eine rechtspopulistische Partei gestimmt.

Das ist wohl einmalig unter den etablierten Demokratien Europas. Das hat aber auch seine Gründe. Es mag schon sein, dass Österreich im EU-Vergleich gut dasteht. Aber Korruptionsskandale, die – wenn überhaupt - bestenfalls halbherzig aufgearbeitet werden, und eine Blockade bei wichtigen Reformen, etwa im Steuer-, Sozial- und im Bildungsbereich sowie der bundesstaatlichen Verwaltung, lassen die Politik der beiden (fast schon nicht mehr) Volksparteien auf einen fruchtbaren Boden für die Populisten fallen.

Am geschicktesten beackert diesen Heinz-Christian Strache. Viele Jahre lang gab der FPÖ-Chef den Super-Haider: polternd, ausgrenzend, islam- und ausländerfeindlich. Diesmal führte „HC“ einen Wahlkampf, in dem er (zumindest bei den TV-Konfrontationen) etwas weniger aggressiv und etwas mehr staatsmännisch auftrat. Die Botschaft der Fremdenfeindlichkeit kam im Nachsatz rüber. Das machte Strache und seine FPÖ für noch mehr Menschen wählbar als nur für die eigentliche rechte Stammklientel. Man muss dabei fast schon dankbar sein über das Anreten von Team Stronach. Denn ohne dieses wäre die FPÖ wohl zweitstärkste Partei geworden.

Dieser Wahlausgang wird die letzte Chance sein für die in der Macht weiterhin aneinandergeketteten Sozialdemokraten und Christsozialen. Sie haben jenes "blaue Wunder" erlebt, von dem Strache gesprochen hatte. Blau, das ist die Parteifarbe der FPÖ. Auf dem Denkzettel lässt sich auch die Notwendigkeit eines inhaltlichen und auch personellen Neuanfangs ablesen.

Dabei muss sich der Frust über Freunderlwirtschaft und Stillstand bei nächsten Wahlen nicht zwangsläufig in Stimmen für die Strache-FPÖ und den Alpen-Berlusconi Stronach entladen. Immerhin schafften bei der Wahl am Sonntag die bürgerlich-liberalen Neos aus dem Stand den Einzug in den Nationalrat. Sie könnten eine echte demokratische Alternative werden – nicht nur zur (sehr klein gewordenen) großen Koalition, sondern auch zu den Rechtspopulisten. 

Der Ball liegt nun bei Kanzler Werner Faymann. Er hat eigentlich nur die Möglichkeit, wieder mit dem alten Koalitionspartner zusammenzugehen. Die ÖVP scheint dabei hoch zu pokern. Offiziell schließt sie sogar ein Bündnis mit der FPÖ und Team Stronach nicht aus. Eine rechtskonservative Regierung mit ausländerfeindlichen und euro-kritischen Elementen. Es wäre ein Spiel mit dem Feuer.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.