Missstände an den Grenzen - Merkel ohne Plan
Berlin - In der Flüchtlingskrise ist nach den Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel keine schnelle Lösung in Sicht. Das stellte die CDU-Chefin am Dienstag klar und mahnte erneut zu Geduld: In der Krise lasse sich nicht einfach ein Schalter umlegen, sagte Merkel mit Blick auf Zehntausenden Flüchtlinge, die über den Balkan nach Deutschland streben. Zuvor hatte der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer ultimativ ein Umsteuern bis zu diesem Sonntag verlangt.
Bayerns Konflikt mit Österreich
Seehofers Landesregierung prangerte als skandalös an, dass Österreich zahllose Menschen auf einen Schlag unabgesprochen an die deutsche Grenze bringe. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte, dies gefährde die Sicherheit und Ordnung hierzulande. Seit Anfang September seien mindestens 318 000 Menschen in den Freistaat gekommen. Sozialministerin Emilia Müller nannte die Zustände auf der österreichischen Seite "inhuman". Deutsche Hilfsorganisationen hätten Flüchtlinge jenseits der Grenze mit Decken und Tee versorgen müssen.
Seehofer forderte, Merkel persönlich müsse auf das Nachbarland einwirken. Bis Allerheiligen, also Sonntag, werde er noch abwarten, ob seine Forderungen nach Zuwanderungsbegrenzung Gehör fänden, sagte Seehofer der "Passauer Neuen Presse" (Dienstag). In den vergangenen Wochen hatte Seehofer schon mehrfach mit "Notwehrmaßnahmen" und sogar einer Verfassungsklage gedroht.
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Die Regierung in Wien nahm die CSU-Kritik gelassen hin. Man stimme sich mit Berlin ab. Ebenso äußerte sich Merkel. Ihre Regierung stehe mit der österreichischen seit dem Frühsommer konstant in Kontakt.
Seit Ungarn vor knapp zwei Wochen seine Grenze zu Kroatien mit einem Sperrzaun abgeriegelt hatte, sind 83 600 Menschen auf der sogenannten Balkanroute durch Slowenien gekommen. Das kleine Land zwischen Alpen und Adria leitet sie zur österreichischen Grenze weiter.
Hunderte Flüchtlinge übernachten im Freien
An der Grenze mussten Hunderte Flüchtlinge die Nacht im Freien verbringen, wie ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur berichtete. Sie seien von slowenischen Soldaten direkt an die Grenze geschickt, von den österreichischen Grenzern aber abgewiesen worden, sagten mehrere Flüchtlinge. Sie hätten keinerlei Nahrung oder Wasser erhalten. Um sich vor der Kälte zu schützen, entzündeten sie Lagerfeuer. In der eingezäunten Menschenmenge waren viele Familien mit kleinen Kindern.
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Deutschland schickt noch in dieser Woche fünf Bundespolizisten nach Slowenien zur Unterstützung. Deutschland und zehn weitere Länder hatten sich bei einem Krisentreffen in Brüssel am Wochenende verständigt, binnen einer Woche 400 zusätzliche Polizisten aus anderen EU-Staaten nach Slowenien zu entsenden.
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EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker warnte vor einer "humanitären Katastrophe" im nahenden Winter. Den EU-Staaten warf er am Dienstag in Straßburg schwere Versäumnisse vor, weil sie ihre Zusagen nicht einhielten und viel zu langsam handelten. Der Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, warnte, dass angesichts der Intervention Russlands im Syrien-Krieg noch mehr Menschen die Flucht ergreifen dürften. Die Flüchtlingskrise sei die größte Herausforderung der EU seit Jahrzehnten.