Milliarden für 2011: Horst Seehofer, der Schuldenmacher

Horst Seehofer muss sich in Bayern vom ausgeglichenen Haushalt verabschieden – und sich mindestens eine Milliarde Euro borgen für 2011. Dabei haben CSU und FDP keinen Bock aufs Sparen.
von  Abendzeitung
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer © dpa

MÜNCHEN - Horst Seehofer muss sich in Bayern vom ausgeglichenen Haushalt verabschieden – und sich mindestens eine Milliarde Euro borgen für 2011. Dabei haben CSU und FDP keinen Bock aufs Sparen.

Horst Seehofer hat Weichen gestellt. Zwei Wochen lang. Im Keller seines Ferienhauses in Schamhaupten. Dort steht seine Modelleisenbahn. Eine Nachbildung seines Lebens. Vier auf fünf Meter groß. Auch einen „Schattenbahnhof“ hat er gebaut. Ein Gleis, das hinab ins Dunkel führt. Dort wird jetzt auch das Paradestück der CSU verschwinden: der ausgeglichene Haushalt. Mit dem hatte Edmund Stoiber den Freistaat als erstes und bisher einziges Land zum Klassenprimus der Republik gemacht.

Am Freitag kehrt Seehofer aus dem Sommerurlaub zurück in die Staatskanzlei. Dort wartet eine ganz bittere Weichenstellung auf ihn: Bayern muss wieder Schulden machen. Und zwar richtig. Die Frage ist nur noch, wie viele: Ob eine Milliarde Euro überhaupt reicht. Reserven sind keine mehr da. Was seine Vorgänger noch übrig ließen, hat Seehofer schon für den letzten Etat verbraten.

Nun muss er sich vom ausgeglichenen Haushalt verabschieden. Bei einem Geheimtreffen in der Staatskanzlei kurz vor seinem Urlaub hatte sich Seehofer von Finanzminister Georg Fahrenschon einen schonungslosen Kassensturz vorlegen lassen. Für 2011 erwartet der Kassenwart ein Defizit von drei Milliarden, 2012 weitere zwei Milliarden Euro. Die Erfüllung des Wünsch-dir-was-Koalitionsvertrags, der unter anderem jedes Jahr 1000 neue Lehrer vorsieht, noch nicht mitgerechnet. Mit ihm würde sich die Deckungslücke in den nächsten zwei Jahren auf sagenhafte 9,6 Milliarden Euro hochschrauben. „Das ist weder finanzierbar noch finanzpolitisch vertretbar“, beschied Fahrenschon.

Er präsentierte Seehofer verschiedene Modelle mit konkreten Einsparvorschlägen, die sogar vor den Haushaltsexperten der CSU/FDP-Koalition im Landtag bis jetzt geheim gehalten wurden. Zwar redet Seehofer vom Sparen. Wollen tut er aber etwas anderes. Er hat Angst, den Gürtel enger zu schnallen. Familien, Bildung, Investitionen sollen nicht angetastet werden. Damit bleibt so gut wie nichts mehr zum Kürzertreten.

Auch die CSU-Fraktion hat keinen Bock, nach dem Verlust der absoluten Mehrheit noch den Rotstift anzusetzen – und sich’s mit den Bürgern weiter zu verderben. Zu tief sitzt der Schock, als Stoiber 2004 seinen rigiden Sparkurs durchsetzte und damit Lehrer, Bauern und Beamte auf die Barrikaden rief. Schließlich findet Koalitionspartner FDP gar nichts dabei, Schulden zu machen. Nur die CSU-Haushälter warnten – und bekamen von Seehofer eine übergebraten: Sie sollen „ihr Maul halten“.

Mit Täuschungsmanövern versucht er nun abzulenken, dass es nix mehr wird mit einem schuldenlosen Etat. Bis Ende der Woche müssen die Minister Sparvorschläge vorlegen. Aber auch ihre Bereitschaft ist gering, wenn schon der Chef selber keine Lust hat.

Bereits im Juli hatte Fahrenschon Seehofer ein radikales Notkonzept vorgelegt und verlangt: Es dürfe beim Sparen keine Tabu-Bereiche geben – auch nicht bei Seehofers Lieblingsprojekten. Damit blitzte er ab: Als er den „Herrn Ministerpräsidenten“ bat, das Kabinett solle die „Vorlage des Staatsministers der Finanzen zustimmend zur Kenntnis nehmen“, ließ Seehofer das „zustimmend“ einfach streichen.

Definitiv keine Zustimmung dürfte er auch für Thüringens FDP-Chef Uwe Barth aufbringen. Der erklärte gestern, Seehofer sei ein „Quartalsirrer“ und „Wahnsinniger“, der alle paar Tage seine Meinung ändere. Angela Böhm

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