Merkels Münchner Predigt: „Wir sind Sünder“

Die Kanzlerin als protestantische Predigerin: In der Münchner Katholischen Akademie beschreibt Angela Merkel ihr christliches Menschenbild und geht keiner kritischen Frage aus dem Weg.
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Politik und Predigt: Angela Merkel bei der Katholischen Akademie in München.
dpa Politik und Predigt: Angela Merkel bei der Katholischen Akademie in München.

MÜNCHEN - Die Kanzlerin als protestantische Predigerin: In der Münchner Katholischen Akademie beschreibt Bundeskanzlerin Angela Merkel ihr christliches Menschenbild und geht keiner kritischen Frage aus dem Weg.

Helle Aufregung gestern abend vor dem Besuch der Kanzlerin in der Katholischen Akademie Bayern. Unmittelbar vor der Ankunft Bundeskanzlerin Angela Merkel fängt gegenüber vom Kardinal-Wendel-Haus, am Kiosk Sankt Moritz, eine offenbar geistig verwirrte Frau hysterisch an zu schreien. Vor den Augen von Ministerpräsident Horst Seehofer zerrt die Polizei sie in einen Transporter, rast mit Blaulicht davon. Dann die Vorfahrt der Kanzlerin: „Ah, der Landesvater“, flötet sie mit Augenaufschlag. „Bist scho wieder auf bayerischem Boden“, brummt er zufrieden.

Im rappelvollen Saal, nach Bussi-Bussi mit Edmund Stoiber, ergreift Protestantin Merkel das Wort. „Ich versuche mich vom christlichen Menschenbild leiten zu lassen“, beschreibt die Pastorentochter ihren „inneren Kompass“. Dann kommt sie auf CDU und CSU zu sprechen: „Jeder Politiker einer Partei, die das C für sich in Anspruch nimmt, wird in Kauf nehmen müssen, dass besondere Maßstäbe an ihn angelegt werden.“ Der CSU-Chef in Reihe eins verzieht keine Miene. „Wir wissen“, fährt Merkel im Predigerton fort, „dass wir unvollkommen, dass wir Sünder sind, aber wir werden nicht daran zerbrechen, weil die Liebe Gottes uns umfängt.“

Merkel bekennt sich zum Schutz von Ehe und Familie und fordert eine internationale „Charta des nachhaltigen Wirtschaftens“: „Als wir vor der Krise vor dem freien Spiel der Hedgefonds gewarnt haben, sind wir auf internationaler Ebene nur mitleidig belächelt worden wie Deppen.“ Am Ende viel wohlwollendes Nicken unter den 500 Gästen, weiteren 1000 wurde aus Platzgründen abgesagt.

In der Fragerunde bricht es dann aber aus den Leuten heraus: Wie lässt sich der Betrieb von Atomkraftwerken mit christlicher Schöpfungsverantwortung vereinbaren? Warum hat die Regierung mit der Rentengarantie den Generationenvertrag gekündigt? Dann kommt die Frage aller Fragen: „Für uns als Katholiken ist es schwer zu verstehen, dass Sie den Heiligen Vater kritisiert haben“, liest eine ältere Frau mit Tremolo von einem Zettel vor und spielt auf die Versöhnung Benedikts XVI. mit den Pius-Brüdern an. „Der ist für uns kein Politiker, sondern Stellvertreter Jesus Christus auf Erden.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel ebenso klare wie trockene Antwort: „Das ist mir sehr bewusst. Aber er ist gleichzeitig auch ein politisches Staatsoberhaupt. Wenn auf deutschem Boden der Holocaust geleugnet wird, ist eine Situation erreicht, in der die Bundeskanzlerin das Wort ergreifen muss.“

Markus Jox

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