Merkel rügt US-Diplomatin
"Fuck the EU": Schwere verbale Entgleisung einer amerikanischen Top-Diplomatin. Merkel empört, Klitschko spricht von "Provokation"
Washington - In einem Tonbandmitschnitt, den Unbekannte auf das Internetportal YouTube stellten, sagte die im US-Außenministerium für Europafragen zuständige Abteilungsleiterin Victoria Nuland abfällig über die Europäische Union: "Fuck the EU."
Nach Angaben des US-Außenministeriums vom Donnerstag (Ortszeit) entschuldigte sich die Diplomatin bei ihren europäischen Partnern. Washington beschuldigte Russland, hinter der Veröffentlichung zu stehen. "Dies ist ein neuer Tiefstand der russischen Spionagetaktik", sagte Außenamtssprecherin Jen Psaki.
Die Beziehungen zwischen den USA und Europa sind bereits wegen des Abhörskandals um den Geheimdienst NSA angespannt. Das "F-Wort" gilt in den USA als streng tabu.
Die Äußerung fiel in einem vertraulichen Telefongespräch Nulands vor einigen Tagen mit dem US-Botschafter in der Ukraine, Geoffrey Pyatt, in dem es über Lösungsansätze zur Beilegung der Krise in der früheren Sowjetrepublik ging. Nuland - die frühere Sprecherin von Hillary Clinton - begrüßte es, dass sich auch die Vereinten Nationen in den innerukrainischen Konflikt einschalten. "Das wäre großartig." Sie "könnten helfen, diese Sache zu Ende zu bringen". Dann fielen die abfälligen Worte in Richtung Europa: "Fuck the EU."
Sie lästert auch über Klitschko
Das US-Außenministerium zweifelte nicht an der Echtheit des Mitschnitts. "Ich sage nicht, dass dies nicht authentisch ist. Ich meine, dabei sollten wir es belassen", sagte Psaki. Nuland selber sagte gestern dazu, sie lehne eine Reaktion ab, das sei ein "privates Gespräch" gewesen.
Zugleich kritisierte Nuland in dem Video die Rolle des ukrainischen Oppositionspolitikers und Ex-Boxweltmeisters Vitali Klitschko. "Ich glaube nicht, das Klitschko in die Regierung soll. Ich glaube, das ist nicht notwendig. Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist."
Klitschko selber nannte die Veröffentlichung des Telefonats gestern eine "Provokation".Es ist für mich klar ersichtlich, dass die USA und die EU mit der Veröffentlichung provoziert werden sollen. Alle Seiten müssen jetzt besonnen reagieren und sollten nicht in diese Falle tappen“, mahnte Klintschko.
Nuland hielt sich am Donnerstag in Kiew auf, wo sie mit dem ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch sprach. Dieser deutete neue Zugeständnisse in Richtung Opposition an. Der Staatschef sei ein "Anhänger" einer baldigen Verfassungsänderung, betonte die Präsidialkanzlei nach dem Treffen Janukowitschs mit Nuland.
Kanzlerin Angela Merkel reagierte extrem verärgert auf Nulands Äußerung
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat mit deutlicher Kritik auf die verbale Entgleisung der US-Spitzendiplomatin Victoria Nuland reagiert. Merkel halte die Äußerung für „absolut unakzeptabel“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz am Freitag in Berlin. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton mache hervorragende Arbeit, und die EU werde sich weiter bemühen, die Lage in der Ukraine zu beruhigen.
Gestern tauchte dann plötzlich noch ein Mitschnitt auf YouTube auf: Diesmal von einer europäischen Diplomatin, die sich über die Amerikaner beklagt. In dem Mitschnitt sollen die Top-Diplomatin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton, die Deutsche Helga Schmid, und der EU-Botschafter in der Ukraine, Jan Tombinski, zu hören sein. In dem Telefonat ärgert sich Schmid darüber, dass in der Diskussion um Sanktionen "die Amerikaner herumgehen und die EU an den Pranger stellen, wir seien da zu soft". Der rund zwei Minuten lange Mitschnitt stammt offenbar vom 31. Januar, da Schmid die Veröffentlichung eines Statement Ashtons zu dem nach eigenen Angaben verschleppten und gefolterten ukrainischen Regierungsgegner Dmitro Bulatow erwähnt.
Die Internetseite "EU Oberserver" zitiert EU-Diplomatenangaben, nach denen der Mitschnitt ebenso wie die zuvor aufgetauchten Äußerungen Nulands authentisch zu sein scheine. "Ich wollte dir eine Sache nur vertraulich sagen", sagt demnach Schmid auf Deutsch zu dem Polen Tombinski. "Die Amerikaner gehen ein bisschen 'rum und erzählen, dass wir zu weich sind, während sie stärker sind und auf Sanktionen gehen." Mit Blick auf mögliche Sanktionen gegen Vertreter der Ukraine sagt die EU-Topdiplomatin in dem ihr zugeschriebenen Gespräch weiter: "Wir müssen das machen und wir müssen das aber ganz klug vorbereiten." Dann fügt sie hinzu: "Aber was du wirklich wissen sollst und was uns sehr ärgert: Dass die Amerikaner 'rumgehen und die EU an den Pranger stellen und sagen, wir seien da zu soft." "Wir sind nicht in einem Rennen, wer stärker vorgeht", antwortet Tombinski. "Wir haben andere Instrumente."
Nuland ist mit dem Historiker Robert Kagan verheiratet, ein Vordenker der amerikanischen Neo-Konservativen. Politisch gilt sie als äußerst flexibel: Sie hat schon Dick Cheney als Beraterin gedient, dem Vize von George W. Bush, und den Clintons.