Merkel: "Nie wieder eine Chance" für Antisemitismus
BERLIN - Der «Schatz von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit» müsse gehütet werden, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einer Gedenkfeier zur Pogromnacht. Jüdisches Leben müsse heute «eine gute Heimat in Deutschland haben.»
Mit eindringlichen Aufrufen zum Kampf gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus haben Politik und Vertreter des Judentums in Berlin dem 70. Jahrestag der Novemberpogrome von 1938 gedacht. «Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus dürfen in Europa nie wieder eine Chance haben», sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der zentralen Gedenkfeier in der Synagoge Rykestraße in Berlin.
Deutschland habe die immerwährende Verantwortung, sich die Bedeutung des «Schatzes von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit» bewusst zu machen und Angriffe darauf nicht hinzunehmen. Die Kanzlerin bezeichnete es vor rund 1000 Gästen aus Politik und Gesellschaft als «alles andere als selbstverständlich, dass Juden wieder Vertrauen in unser Land fassen». Mit Blick auf die durch Zuwanderung aus Osteuropa wachsenden jüdischen Gemeinden betonte Merkel: «Jüdisches Leben muss immer einen guten Platz und eine gute Heimat in Deutschland haben.»
Warnung vor «braunen Rattenfängern»
Auch die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, nannte den Einsatz gegen die «braunen Rattenfänger» als bleibenden Auftrag aus der Vernichtung der Juden durch die Nationalsozialisten. «Nur eine gelebte, lebendige Demokratie kann gesunde Abwehrmechanismen entwickeln», sagte Knobloch, die die Novemberpogrome als Sechsjährige erlebt hatte. Die Wahlerfolge der NPD in jüngster Zeit sowie rechtsextremistische Organisationen, die sich beispielsweise durch Jugendarbeit in die Mitte der Gesellschaft schlichen, «werfen ein grelles Licht auf die mangelnde Durchsetzungskraft der demokratischen Kräfte gegen Rechtsextremismus», so die Zentralratspräsidentin. 70 Jahre nach dem NS-Terror laute daher der Auftrag, sensibel zu sein für «leise und weniger leise Signale antidemokratischer Entwicklungen im Land». Knobloch erwähnte, dass die Zeitzeugen bald für immer verstummen würden. Es sei daher die Pflicht, die Erinnerung an die Opfer aufrechtzuerhalten und an die Nachkommen weiterzugeben.
Emotionale Rede von Knobloch
In einer sehr persönlich gehaltenen Rede erinnerte sich Knobloch an ihre Angst in der Novembernacht 1938 und in den Tagen danach. Die Tränen, die sie damals geweint habe, hätten sie ihr ganzes Leben hindurch begleitet. «Die gesamte Generation der Opfer vergießt ihr Leben lang diese Tränen.» In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 fanden in Deutschland von den Nationalsozialisten gesteuerte Ausschreitungen gegen jüdische Geschäfte und Wohnhäuser statt. Etwa 1400 Synagogen wurden in Brand gesetzt. Infolge der Pogrome verhafteten die Nazis rund 30.000 Juden und verschleppten sie in Konzentrationslager. Rund 100 Juden wurden in der Nacht ermordet. Die Pogrome gelten als Auftakt zur systematischen Verfolgung der Juden, die in den Holocaust mündete. Die NS-Propaganda bezeichnete die Ereignisse vom 9. November 1938 beschönigend als «Reichskristallnacht», inzwischen hat sich der Begriff «Reichspogromnacht» etabliert. (epd/nz)
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