"Lies!"-Salafisten: Innenminister verbietet Organisation, Razzia läuft
München – Die Razzia läuft seit 6.30 Uhr am Dienstagmorgen und richtet sich vor allem gegen die Organisation "Die Wahre Religion", die hinter den Bücherständen steckt, den "Lies!Verlag" und eine zu der Kampagne gehörende Stiftung. Es wird wegen des "Verstoßes gegen den Gedanken des friedlichen Zusammenlebens der Völker" ermittelt.
Salafisten vertreten einen am Koran orientierten besonders konservativen Ur-Islam, lehnen westliche Demokratien ab und wollen eine Ordnung mit islamischer Rechtsprechung, der Scharia. Die Stände mit den markanten "Lies!"-Plakaten sind Behörden und vielen Bürgern schon länger ein Dorn im Auge, durften bislang aber betrieben werden, da keine Rechtsverstöße nachweisbar waren. Erklärtes Ziel der Kampagne ist es, jedem Haushalt in Deutschland eine Koran-Übersetzung zur Verfügung zu stellen. Laut dem Gründer, dem gebürtigen Palästinenser Ibrahim Abou-Nagie, sind bis Mitte 2016 rund 3,5 Millionen Exemplare verteilt worden.
Allerdings häuften sich in letzter Zeit die Fälle von Anhängern der Bewegung, die nach Syrien in den Krieg zogen, zudem gibt es Verstrickungen zu bekannten Extremisten. Bisher sind nach Informationen aus Sicherheitskreisen mindestens 140 "Lies!"-Aktivisten und Unterstützer aus Deutschland nach Syrien und in den Irak gereist, um sich der IS-Terrormiliz anzuschließen.

Archivfoto: Ein Anhänger der "Lies!"-Kampagne in Frankfurt am Main. Foto: dpa
Innenminister verbietet "Lies!"-Verein
All dies hat nun offenbar ein Ausmaß angenommen, das ein rechtliches Vorgehen gegen die Organisationen ermöglichte. Am Dienstagmorgen hat das Bundesinnenministerium den islamistischen Verein "Die Wahre Religion" verbieten lassen. Seitdem durchsuchen hunderte Polizisten bundesweit rund 200 Moscheen, Wohnungen und Räume, die den Anhängern der Kampagne zugeordnet werden. Zudem sollen offenbar sämtliche Vermögenswerte der betroffenen Organisationen beschlagnahmt werden.
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Schwerpunkte der Polizeieinsätze, die zeitgleich in mehreren westdeutschen Bundesländern und Berlin begannen, waren Hessen mit knapp 65 Durchsuchungen - darunter allein 15 in Frankfurt am Main - sowie Nordrhein-Westfalen und Bayern mit jeweils fast 35 Polizeiaktionen. In Niedersachsen durchsuchten die Beamten mehr als 20 Liegenschaften, in Berlin fast 20, in Baden-Württemberg gut 15, in Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und in Hamburg je etwa 5 und in Bremen eine. Auch gegen jeweils einen Moschee-Verein in Baden-Württemberg und Hamburg lagen Durchsuchungsbeschlüsse vor. In ostdeutschen Flächenländern gab es keine Durchsuchungen.
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