Lage in der Ukraine immer schlimmer: "Es wird alles bombardiert"

Die EU wirft Russland Kriegsverbrechen in der ukrainischen Hafenstadt Mariupol vor, Kiew spricht von Völkermord. Die Lage ist dramatisch.
| AZ/dpa
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Er hat es aus dem eingekesselten Mariupol herausgeschafft: Am Bahnhof von Lwiw in der Westukraine umarmt eine Frau weinend ihren Sohn.
Er hat es aus dem eingekesselten Mariupol herausgeschafft: Am Bahnhof von Lwiw in der Westukraine umarmt eine Frau weinend ihren Sohn. © picture alliance/dpa/AP

Kiew - Mit klaren Worten hat die Ukraine ein russisches Ultimatum zur Kapitulation der belagerten Hafenstadt Mariupol abgelehnt.

"Es kann keine Rede davon sein, Waffen abzugeben", sagte Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk der Zeitung "Ukrainska Pravda". Während die EU Russland "massive Kriegsverbrechen" in Mariupol vorwarf, wurden bei einem Angriff auf ein Einkaufszentrum in der Hauptstadt Kiew nach Behördenangaben mindestens acht Menschen getötet. Die Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew führten bis dato zu keinem Ergebnis.

Russlands Angriff auf die Ukraine - das ist die aktuelle Lage.
Russlands Angriff auf die Ukraine - das ist die aktuelle Lage. © dpa

Russland hatte den ukrainischen Streitkräften in Mariupol am Sonntagabend bis Montagmorgen, 4 Uhr MEZ, Zeit gegeben, sich zu ergeben. Moskau fordere die ukrainischen Soldaten "und ausländischen Söldner auf, die Kampfhandlungen einzustellen, ihre Waffen niederzulegen und sich durch mit der ukrainischen Seite vereinbarte humanitäre Korridore in die von Kiew kontrollierten Gebiete zu begeben", sagte der Leiter des russischen nationalen Verteidigungskontrollzentrums, Michail Misinzew.

In Mariupol sind fast 350.000 Menschen eingeschlossen

Die Verantwortlichen von Mariupol würden sonst vor ein Kriegsgericht gestellt. Für Einwohner stünden "bequeme Busse" bereit, welche diese Richtung Russland oder - nach einer Einigung mit Kiew - in ukrainisch kontrollierte Gebiete transportieren könnten. In Mariupol sind fast 350.000 Menschen eingeschlossen.

Lag in Mariupol: "Es wurde einfach alles bombardiert"

Die ukrainische Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk bezeichnete die russische Ankündigung als "bewusste Manipulation" und "echte Geiselnahme". Über die Ablehnung des Ultimatums sagte sie: "Wir haben die russische Seite bereits darüber informiert."

Luftaufnahme von ausgebrannten Hochhäusern in Mariupol.
Luftaufnahme von ausgebrannten Hochhäusern in Mariupol. © Azov Battalion/AP/dpa

Mariupol ist die letzte große Hafenstadt am Asowschen Meer unter ukrainischer Kontrolle. Seit Beginn der russischen Invasion am 24. Februar wurden nach Angaben der ukrainischen Regierung mehr als 2.100 Einwohner der Stadt getötet.

Der griechische Konsul Manolis Androulakis, der die Stadt am Wochenende als einer der letzten westlichen Diplomaten verlassen hatte, sagte am Flughafen von Athen sichtlich erschüttert: "Mariupol wird sich einreihen bei jenen Städten, die durch Krieg vollständig zerstört wurden - ob Guernica, Coventry, Aleppo, Grosny oder Leningrad." Es gebe dort kein Leben mehr. "Binnen 24 Stunden wurde die gesamte Infrastruktur zerstört. Es wurde einfach alles bombardiert."

Androulakis rief dazu auf, die Stimme zu erheben und vereint einen Waffenstillstand oder eine Feuerpause zu fordern. "In diesem Moment werden dort Zivilisten bombardiert - blind und unkontrolliert."

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Was in Mariupol passiere, sei eine Tragödie sowohl für das russische als auch das ukrainische Volk. Die Menschen beider Völker quäle vor allem die Frage nach dem Warum. "Alle haben mit irgendetwas gerechnet, aber niemand mit dem, was nun passiert."

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell verurteilte das Vorgehen der russischen Streitkräfte scharf. "In Mariupol spielen sich massive Kriegsverbrechen ab", sagte Borrell vor Beratungen mit den EU-Außen- und Verteidigungsministern in Brüssel. Der Sicherheitsberater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Ihor Schowkwa, sprach im ZDF von einem "Völkermord" in Mariupol.

Auch in anderen Landesteilen setzte die russische Armee ihre Attacken fort. Bei dem Angriff auf ein Einkaufszentrum in Kiew wurden nach Angaben der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft mindestens acht Menschen getötet. Nach Schilderungen eines Reporters lagen mehrere Leichen vor der Shoppingmall Retroville im Nordwesten der Hauptstadt, während Rettungskräfte in den Trümmern nach weiteren Opfern suchten.

Selenskyj: "Bitte finanzieren Sie nicht die russischen Kriegswaffen" 

Das zehnstöckige Gebäude war am späten Sonntagabend von einer gewaltigen Explosion erschüttert worden. Der gesamte südliche Teil des Einkaufszentrums und Autos auf seinem Parkplatz wurden zerstört. Im Boden klaffte ein mehrere Meter großer Krater.

Im Norden der Ukraine wurden Bewohner der Stadt Nowoselyzja wegen eines "Ammoniaklecks" in einer Düngemittel-Fabrik nach einem Angriff aufgerufen, Schutz zu suchen. Später erklärten die Behörden, der Vorfall sei "beendet".

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Westliche Staaten haben wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine harte Sanktionen gegen Moskau verhängt. Selenskyj rief die europäischen Nationen und insbesondere Deutschland nun dazu auf, "jeden Handel" mit Russland und den Import von Energieträgern wie Erdöl und Erdgas zu beenden.

"Bitte finanzieren Sie nicht die Kriegswaffen dieses Landes", sagte der ukrainische Präsident in einer Video-Ansprache. "Keine Euro für die Besatzer." Kreml-Sprecher Dmitri Peskow warnte, ein Öl-Embargo hätte "sehr schwere Folgen für den Weltölmarkt, verhängnisvolle Folgen für den europäischen Energiemarkt".

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