Kurz in Österreich: Vorbild oder abschreckendes Beispiel?
Wien - Sebastian Kurz hat es geschafft. Der bisherige Außenminister Österreichs ist neuer Regierungschef und steht nun einem Kabinett vor, das neben acht Ministern aus der ÖVP auch sechs Ressortverantwortliche aus der rechten FPÖ beinhaltet.
Die Bundesregierung in Berlin reagiert abwartend auf die neue rechtskonservative Führung in Wien. Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, sie werde verfolgen, wie die "europapolitische Positionierung" Österreichs aussehen werde. (Lesen Sie hier den AZ-Kommentar zum Thema: Sebastian Kurz - Eine Chance für den "Wunderwuzzi von Wien")
Welche Bedeutung Kurz und sein Kabinett für ihr Land und die internationale Politik haben:
Europa
Die österreichische Regierung hat sich zwar zu einem grundsätzlichen EU-Bekenntnis verpflichtet. Was das genau bedeutet, ist allerdings unklar. "Es heißt immerhin, dass Österreich nicht aus der EU austritt", sagt der Politologe Hajo Funke zur AZ. Es deute vieles daraufhin, dass es eine größere Nähe zu den Visegrad-Staaten (Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei) geben wird als zu Brüssel oder der deutschen Kanzlerin.
"Dass Österreich Macron so unterstützt, wie viele das aus finanzpolitischen und europaökonomischen Gründen fordern, sehe ich derzeit nicht." Es werde spannend, denn in der entscheidenden Verhandlungsphase für den nächsten Haushalt der EU hat Österreich die Präsidentschaft inne.
Deutschland
Die politische Klimaveränderung in Österreich zwingt Deutschland – auch durch den Einzug der AfD – zu einem klaren Verhältnis zur Demokratie. Funke: "Wir Deutschen sind aus ökonomischen, aber auch aus politischen Gründen geradezu verpflichtet, mit Macron zu kooperieren und in der Frage eines Investitions- und Infrastrukturprogramms aktiv zu werden."
Humanitäre Werte gegenüber Flüchtlingen und Minderheiten dürften nicht so restriktiv beschnitten werden wie Österreich es plant. "So etwas verändert ein Land. Es ist die Frage, wie stark und selbstbewusst die demokratischen Parteien in Deutschland sind", so der Politologe.
Bayern
Ist der Rechtsruck in Österreich ein Warnschuss für die anstehenden Landtagswahlen? "Ja, natürlich", sagt Funke. Insbesondere für die CSU. "Vor allem Markus Söder traue ich viel zu. Aber trotz gelegentlicher rechtspopulistischer Äußerungen war es bisher das Ziel der Partei, gegenüber dem christlichen und dem sozialen Flügel integrationsfähig zu bleiben", so der Politikwissenschaftler. Der Ton werde zwar schärfer, auch in Deutschland. "Aber würde Söder zu weit nach rechts rücken, würde dies zu einer Schwächung der CSU führen", so der Politologe.
Österreich
Für die Innenpolitik ist nun FPÖ-Mann Herbert Kickl zuständig. Von dem 49-Jährigen stammen diverse fremdenfeindliche Sprüche wie der FPÖ-Plakatspruch "Daham statt Islam", eine frühere Jörg-Haider-Kampfparole. Sowohl er als auch anderen Parteikollegen äußerten sich zuweilen auch bereits offen antisemitisch. Funke: "Dass er ein solches Amt besetzt, ist nicht ohne. Die innenpolitischen Vorgänge sind vielleicht noch heftiger als der europapolitische Kurs. Für die Flüchtlings-, Innen- und Sozialpolitik ist nur Schlimmes zu erwarten", so der Politikwissenschaftler.
Deutlichere Worte findet der österreichische Politikexperte Walter Ötsch auf Anfrage der AZ: "Der Innenminister ist gefährlich für die Demokratie in Österreich." Dieser habe den Chefredakteur des Blogs www.unzensuriert.at, Alexander Höferl, als Pressesprecher ausgewählt. "Der Blog war im Wahlkampf mit der Facebookseite von Strache immer verlinkt und hat eine Fakenews nach der anderen produziert." Höferl habe jetzt als Pressesprecher Zugang zu vielen Unterlagen und sogar zu den Geheimdiensten.