Kopf an Kopf in den Endspurt

Ein energischer Barack Obama siegt im dritten Duell gegen einen coolen Mitt Romney. Doch jetzt ist das Rennen erst recht offen.
Florida - Barack Obama hat das dritte Duell gewonnen. Die Wahl – noch – nicht. Es war das letzte öffentliche Kräftemessen zwischen dem US-Präsidenten und seinem republikanischen Herausforderer Mitt Romney, die letzte große Chance, zu punkten oder die Stimmung zu drehen – und jetzt ist das Rennen erst recht offen. Anders, als viele Deutsche hoffen und glauben, ist ihr Sympathieträger Obama längst nicht mehr der Favorit. Derzeit steht es 50:50, Wahlforscher rechnen mit dem knappsten Rennen seit der denkwürdigen Wahl 2000 zwischen George Bush und Al Gore, die erst Monate später entschieden wurde.
Barack Obama war von Anfang an in der Offensive bei diesem dritten Duell, ausgetragen diesmal in Boca Raton, Florida. Engagiert, überzeugend, angriffslustig, prägnant, schlagfertig. Romney dagegen präsentierte sich als cool, staatsmännisch, seriös. Die Attacken parierte er nicht, er wich ihnen aus. Seine entscheidenden Punkte hat der Republikaner im ersten Duell gemacht, als er überraschend stark den Sieg davontrug. Da hat er offenbar einige unentschlossene Wähler vor allem der Mitte für sich gewinnen können. „Technokrat mit Herz“, nannte ihn danach einigermaßen anerkennend die „New York Times“. Jetzt spielt er nur noch auf Halten. Bloß nicht die neuen Fans aus der Mitte durch zu rüdes Auftreten verprellen oder Unentschiedene vor den Kopf stoßen. Jetzt mit Gelassenheit demonstrieren, dass man Führungsqualitäten als Comander in Chief hat.
Häufig gab er Obama sogar ausdrücklich recht, jedenfalls beim offiziellen Hauptthema des Abends, der Außenpolitik: Jawoll, Abzug aus Afghanistan 2014. Jawoll, ein Einsatz in Syrien wäre zu gefährlich. Jawoll, das mit Osama bin Laden war ein Erfolg. Jawoll, der Iran soll keine Atombombe haben, und Israel ist zu verteidigen. In einigen Punkten wurden auch Unterschiede deutlich: etwa beim Militärbudget, das Romney deutlich mehr am Herzen liegt. Doch sonst setzen beide auf Frieden – und auf ein starkes Amerika. „Amerika muss stark sein“, sagt Mitt Romney. „Die Welt braucht ein starkes Amerika“, sagt Barack Obama. Anders als früher, etwa zu Zeiten des Irak-Kriegs, ist die Außenpolitik nicht das große Grabenkrieg-Thema in den USA.
Die Weltläufe waren sichtlich ein Heimat-Terrain für Barack Obama – und ebenso deutlich ungewohntes Gebiet für seinen Herausforderer, den früheren Gouverneur von Massachusetts. Obama spottete, er sei ja schon froh, dass Romney wenigstens nun auch El-Kaida für den Hauptfeind und nicht mehr wie neulich Russland. Der Republikaner zeigte wenig Lust, sich auf außenpolitische Debatten einzulassen. Entsprechend stellte er nur kurz sein Motto vor: „Meine Strategie ist ganz gradlinig: die bösen Jungs jagen.“ Und lenkte dann nach einigen Patzern und Schwächen (siehe Kasten) rasch über auf sein Lieblingsthema: die Wirtschaftspolitik. Er kennt die Umfragen, dass mittlerweile die Mehrheit der US-Bürger ihm am ehesten zutraut, die Konjunktur wieder anzukurbeln und Jobs zu schaffen.
Obama ging auch hier sofort in die Offensive: „Jedes Mal, wenn Sie Ihre Meinung sagen, liegen Sie falsch.“ Oder: „Sie wollen die Außenpolitik der 1980er wieder einführen, die Sozialpolitik der 1950er und die Wirtschaftspolitik der 1920er.“ Romney ließ sich nicht provozieren: „Mich zu attackieren, ist noch kein Programm“, sagte er kühl. Das dritte Duell jedenfalls geht nach Punkten an Barack Obama: Nach einer CNN-Umfrage sehen 48 Prozent der US-Bürger ihn als Gewinner, 40 Prozent nannten Mitt Romney. Bei CBS-News war Obamas Sieg sogar noch deutlicher: 53 zu 23 Prozent. Aber es war eben nur das letzte von drei Duellen. Und das erste hat Romney so klar gewonnen, dass es Obama bisher nicht gelungen ist, ihn wieder zurückzudrängen; trotz der Punktsiege in den folgenden Begegnungen. Exakt 47 zu 47 Prozent sagen die Umfragen derzeit den beiden voraus. Sie spiegeln wider, wie gespalten die USA sind. In sehr unversöhnliche, gegensätzliche Lager, die am 5. November ihre Schlacht austragen werden.
Und Romney räumt das Feld von rechts auf. Während er sich anfangs mit konservativen Parolen den Rückhalt in den eigenen Reihen und der radikalen Tea Party sicherte, bewegt er sich nun immer weiter in die Mitte, um dort die entscheidenden Prozentpunkte zu fischen – eben auch im letzten Duell. Jetzt kommt alles auf die Swing States an, in denen der Ausgang knapp wird. In ihnen findet jetzt der Endspurt statt – noch sind 13 Tage Zeit.
Romneys schönste Patzer - Bajonette und Pferde
Kult binnen Sekunden: Obamas sarkastischer Scherz über Pferde und Bajonette avancierte blitzartig zum Top-Thema des Internets – bis zu 60000 Mal pro Minute wurde das Zitat allein getwittert. Romney hatte beklagt, die US-Marine habe weniger Schiffe als 1917. Obama konterte schlagfertig, dass sich das Wesen des Militärs seither etwas geändert habe: „Wir haben auch weniger Pferde und Bajonette.“
Spöttisch fuhr er fort, seinem Herausforderer das moderne Militär zu erklären: „Wir haben diese Dinger, die Flugzeugträger heißen und auf denen Flugzeuge landen können. Und wir haben jetzt auch Schiffe, die tauchen können: atomar betriebene U-Boote.“ Das Netz tobte vor Begeisterung, binnen Sekunden war das Suchwort (hashtag) #horsesandbayonets das meistverwendete. „Romneys militärische Vorstellungen von 1917 passen zu seinen Energieplänen von 1917“, twitterte Ed Markey. „Und zu seinen Ansichten von Frauenrechten!“, fügte Eche Madubuike hinzu.
Sogar Bibo, der große gelbe Vogel aus der Sesamstraße, eines von Romneys Opfern aus dem ersten Duell, meldete sich bei seinem Spaß-Account wieder zu Wort: „Wenn Sie glauben, dass Romney heute gewonnen hat, investieren Sie in Pferde und Bayonette.“ Es war nicht Romneys einziger schwacher Moment. Außerdem verwechselte er den früheren Uno-Chef Kofi Annan mit dem syrischen Herrscher Baschir el-Assad und verkündete: „Syrien ist Irans einzige Verbindung zum Meer.“ Iran grenzt gleich an zwei Meere.
Die USA unter Romney
Der Staat soll so schlank wie möglich sein – sein Ideal ist das freie Spiel der Kräfte
Washington - Mitt Romney hat durchaus Chancen, der nächste Präsident des immer noch mächtigsten Landes der Welt zu werden. Zeit, sich anzuschauen, was er mit dem Amt und dem Land vorhat.
Zunächst: Er macht derart viele Versprechungen, dass noch sehr vage ist, was davon überhaupt kommen wird – zumal sich einige massiv widersprechen. Vor allem in der Wirtschaftspolitik: Er will die Steuern flächendeckend um durchschnittlich 20 Prozent senken – und er will gleichzeitig das Haushaltsdefizit abbauen. Kritiker halten beides für unvereinbar: Wer so massiv auf Einnahmen verzichtet, wird den Schuldenberg eher noch vergrößern.
Romney hält zwei Argumente dagegen: Erstens glaubt er, dass die Wirtschaft wegen der Steuersenkungen deutlich wachsen wird. Zweitens will er die staatlichen Ausgaben kürzen: Er will sie von jetzt 25 Prozent der jährlichen Wirtschaftskraft auf unter 20 Prozent drücken. Sein Ideal ist der schlanke Staat: nimmt möglichst wenig, gibt möglichst wenig. Der Bürger ist auf sich gestellt – ein Prinzip, das im konservativen Lager glühende Anhänger hat.
Diese Denkschule – das freie Spiel der Kräfte – zieht sich durch: Der Staat soll sich aus möglichst vielen Bereichen raushalten. Zum Beispiel auch aus der Finanzwirtschaft. Alle Regulierungen der Wall Street, alle Verbraucherschutzbestimmungen, die die Regierung Obama und teils auch ihre Vorgängerregierungen eingeführt haben, will Romney wieder abschaffen. „Regulierung darf Wachstum nicht behindern“, sagt der Mann, der mit einer Heuschrecken-Firma sein Vermögen verdient hat.
Außenpolitisch gibt er sich zahm (siehe oben), jedenfalls jetzt noch. Er versucht deutlich, nicht als neokonservativer Falke zu erscheinen und sich auch von George W. Bush abzusetzen. Kriege will er möglichst meiden – sein Kern ist die wirtschaftliche Macht, nicht die militärische. Europa hat er bisher so gut wie nicht erwähnt, wenn dann China.