Kohl: So spottet er über Merkel, Blüm und Wulff

München - Der Münchner Heyne-Verlag lässt sich von seinem Buchprojekt über Altkanzler Helmut Kohl trotz juristischer Drohungen nicht abbringen. Am Montag begann das Verlagshaus, das Buch "Vermächtnis. Die Kohl-Protokolle" von Heribert Schwan und Tilman Jens auszuliefern. "Wir haben bisher keine Unterlassungsaufforderung bekommen, die Bücher befinden sich in der Auslieferung und sind dann ab morgen sukzessive im Handel erhältlich", sagte eine Verlagssprecherin. Im Streit um den historischen Nachlass Kohls plant der Bund derweil vorerst keine Gründung einer eigenen Stiftung.
Kohl will laut einem "Focus"-Bericht juristische Schritte gegen das Buch von Schwan und Jens einleiten, das ursprünglich am 13. Oktober erscheinen sollte. Wie das Magazin schreibt, beauftragte der langjährige CDU-Vorsitzende seine Anwälte, die Veröffentlichung zu stoppen. Das Berliner Büro Kohls äußerte sich auf Anfrage am Montag dazu nicht. Grund des Streits ist nach "Focus"-Informationen der Verdacht, Kohls ehemaliger Biograf Schwan habe für die Publikation jene 200 Tonbänder aus Gesprächen mit Kohl ausgewertet, deren Nutzung ihm nach seinem Bruch mit dem Altkanzler vom Oberlandesgericht Köln im August untersagt wurde.
Der Journalist Schwan hat inzwischen beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe Revision gegen das Kölner Urteil eingelegt. Er erhebt als Ghostwriter von Kohls "Erinnerungen" ebenfalls weiterhin Anspruch auf die Bänder. Kohl war in den Jahren 2001 und 2002 von Schwan befragt worden. "Als Ghostwriter von Helmut Kohls Erinnerungen war Heribert Schwan dem Altkanzler so nah wie kein Zweiter", schreibt der Heyne-Verlag in der Buchankündigung. "Stunden und Tage haben beide in den Jahren 2001 und 2002 in Gesprächen verbracht."
Wie "Der Spiegel" in seiner aktuellemn Ausgabe schreibt, rechnet Kohl in den nun von Schwan veröffentlichten "Protokollen" teils drastisch mit Parteifreunden ab. Er klagte demnach in deutlichen Worten über CDU-Politiker wie die jetzige Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel, seinen früheren Arbeitsminister Norbert Blüm oder den späteren Bundespräsidenten Christian Wulff. In den Interviewsitzungen (mehr als 600 Gesprächsstunden in Kohls Keller in Oggersheim) habe Kohl laut "Spiegel" völlig unverstellt geredet. Nie zuvor habe er sich einem einem Journalisten so geöffnet.
Blüm "hinterfotzig" und Wulff "ein Verräter"
Der "Spiegel" druckt am Montag folgende Aussage Kohls über Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Frau Merkel konnte ja nicht richtig mit Messer und Gabel essen. Sie lungerte sich bei Staatsessen herum, sodass ich sie mehrfach zur Ordnung rufen musste." Kohl weiter: "Die Merkel hat keine Ahnung, und der Fraktionsvorsitzenden (damals Friedrich Merz, Anm. d. Red.) ist ein politisches Kleinkind." Ein möglicher Grund für Kohls forsche Aussagen über Merkel: Die damalige CDU-Generalsekretärin war in der CDU-Spendenaffäre auf Distanz zu ihm gegangen.
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Aber auch vermeintliche Parteifreunde hat Kohl dem Bericht zufolge in die Pfanne gehauen. Seinen langjährigen Wegbegleiter und Bundesarbeitsminister Norbert Blüm soll er "hinterfotzig" und Verräter genannt haben. "Da muss bei Blüm das Wort rein: Verräter. In irgendeiner Form", soll er zu Biograf Schwan gesagt haben. Dazu sei es zwar nicht gekommen, schreibt der "Spiegel" weiter. Aber in den Memoiren soll es später geheißen haben, es sei ein schwerer Fehler gewesen, bis zum Schluss an Blüm als Sozialminister festzuhalten. "Im Lichte der Ereignisse frage ich mich heute, wie ich mich so in seinem Charakter täuschen konnte."
Bei Christian Wulff, damals Ministerpräsident in Niedersachsen, legte Kohl offenbar noch einen drauf. Wulff sei "ein ganz großer Verräter" und gleichzeitig "eine Null".
Wo befinden sich die Tonbandprotokolle jetzt?
Kohl hat die Tonbandprotokolle mittlerweile gerichtlich zurückgeklagt. Die Bänder lagern seit März 2014 in seinem Haus in Oggersheim, wo der 84-Jährige mit seiner zweiten Frau, Maike Richter-Kohl, lebt.