Iwan Demjanjuk: Im Netz der Nazi-Jäger
MÜNCHEN - Ein alter Dienstausweis enttarnt den 88-Jährigen als SS-Schergen im Vernichtungslager Sobibor. Ex-KZ-Wächter Iwan Demjanjuk kann in München vor Gericht gestellt werden. Er soll an der Ermordung von 29 000 Juden beteiligt gewesen sein
Er ist die Nummer zwei auf der Liste der noch lebenden Nazi-Kriegsverbrecher. Und er kann jetzt in München vor Gericht gestellt werden: Iwan ("John") Demjanjuk (88), wohnhaft in einem Vorort von Cleveland im US-Bundesstaat Ohio.
Iwan Demjanjuk, 1920 in der Ukraine geboren, soll als Wärter im Vernichtungslager Sobibor an der Ermordung von über 29000 Menschen beteiligt gewesen sein. Bislang konnte er nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Doch über 60 Jahre nach Ende des Nazi-Terrors gelang der NS-Fahndungsstelle in Ludwigsburg ein spektakulärer Coup: Mitarbeiter der Justizbehörde fanden einen Dienstausweis Demjanjuks. Darauf steht, dass er 1943 Aufseher in Nazi-Vernichtungslagern war.
Die Aufseher verrichteten für die Nazis die Drecksarbeit und halfen beim Massenmord, sagt der Chef der Ermittler, Kurt Schrimm.
Auch fanden die Ermittler die Namen der Opfer heraus. Das älteste Opfer war demnach ein 99 Jahre alter Jude aus Holland. Auch Säuglinge und Kleinkinder wurden in Sobibor vergast.
Nachdem er nach Kriegsende in einem Flüchtlingslager in Landshut als Fahrer gearbeitet hatte, flüchtete er in den 50er Jahren nach New York. In Ohio fand er einen Job bei Ford, drei Kinder zog er mit seiner Frau Wera auf.
In den 70er Jahren wurde seine Vergangenheit bekannt, die USA lieferten ihn 1986 nach Israel aus. Dort wurde er angeklagt, weil er der grausame Wachmann „Iwan der Schreckliche“ im Lager Treblinka gewesen sein soll. 1988 wurde er zum Tode verurteilt, 1993 aus Mangel an Beweisen freigesprochen.
Demjanjuk kam zurück in die USA, war dort nicht mehr erwünscht. Die Amerikaner wollen ihn ausweisen. Die Fahnder wollen, dass er nach München kommt. Sie hatten herausgefunden, dass Demjanjuk zuletzt bei München gemeldet war. Gestern entschied der Bundesgerichtshof: Münchens Staatsanwälte sind zuständig.
Charlotte Knobloch, Präsidentin des Zentralrats der Juden, fordert: „Das Landgericht München II sollte jetzt alles juristisch Mögliche tun, um das Verfahren zu beschleunigen, damit Demjanjuk für seine Verbrechen noch zu Lebzeiten zur Rechenschaft gezogen werden kann.“ Das Verfahren habe einen hohen symbolischen Stellenwert. „Denn Demjanjuk, und alle anderen noch lebenden NS-Verbreche sollen wissen, dass es für sie keine Gnade gibt“, sagte sie der AZ.
Volker ter Haseborg