Gauweiler in Nordkorea: Bruckner hören in Pjöngjang

Der Münchner CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler ist derzeit in Nordkorea. Im AZ-Interview schildert er seine Eindrücke von einem Land außer der Zeit – das manchmal anders ist als gedacht.
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Peter Gauweiler
Petra Schramek Peter Gauweiler

MÜNCHEN/PJÖNGJANG - Der Münchner CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler ist derzeit in Nordkorea. Im AZ-Interview schildert er seine Eindrücke von einem Land außer der Zeit – das manchmal anders ist als gedacht.

Am Anfang ging es nur um den Lesesaal des deutschen Goethe-Instituts in Pjöngjang. Ein Streit führte dazu, dass Nordkorea ihn schloss. Und der Bundestag bat Peter Gauweiler, als Chef des Ausschusses für Auswärtige Kulturpolitik, in Nordkorea mal nach dem Rechten zu sehen. Das tat er gerne: Denn der Münchner CSU-Bundestagsabgeordnete liebt es schon immer, sich dort einzumischen, wo der Rest der Welt Schurkenstaaten am Werk sieht – kurz vor Kriegsausbruch war er auch im Irak. Die AZ sprach mit ihm am Telefon.

AZ: Bei Ihnen ist es jetzt schon ziemlich spät?

PETER GAUWEILER: Viertel nach eins in der Nacht. Ich komme gerade von einem Empfang.

Und wie ist die Lage?

Ich bin von vielem überrascht. Am meisten von der Fülle des Kulturangebots. In Pjöngjang Bruckner hören, ist nicht unbedingt das, was man erwartet.

Bruckner?

Klassische deutsche und koreanische Musik, vorgetragen vom Yun-Isang-Orchester, vorhin beim Abendessen in der Deutschen Botschaft. Hier gibt es eine der größten Bibliotheken Asiens, es gibt ein großes Filmfestival mit täglich 15000 Besuchern, Korea ist ja ein uralter Kulturstaat.

Wie wir Sie kennen, haben Sie auch eine politische Aussage.

Wir müssen dem Land helfen, aus seiner Isolation herauszukommen. Uns fällt bei Nordkorea immer zuerst ein: Atomwaffen, Ein-Mann-Diktatur und alle möglichen Katastrophen. Es gibt aber auch ein anderes Gesicht von Nordkorea.

(In der Leitung pfeift es lautstark) Herr Gauweiler, hören Sie das? Vielleicht ist das der Zensor.

Na und, hier pfeift ständig irgendwas. Wenn die Leitung abbricht, wird es mit dem Rückruf schwierig.

Nochmal zum anderen Nordkorea.

Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder sind wir überzeugt, dass hier alle ohne Ausnahme schlechten Willens sind. Dann hat in der Tat alles keinen Sinn. Oder wir gehen davon aus, dass uns kleine Schritte bei der Annäherung helfen. Ich finde, kleine Schritte sind besser als gar keine. Machen wir den Nordkoreanern Angebote, gehen wir auf sie zu.

Ist das nicht naiv? Wir reden von der letzten stalinistischen Diktatur der Welt. (Es pfeift wieder)

Auswärtige Kulturpolitik muss sich immer gegen den Vorwurf der Naivität zur Wehr setzen. Meine Güte, vielleicht ist im weltpolitischen Maßstab auch was dran. Es ist viel naiver zu glauben, dass man einen missliebigen Staat durch Aktionen wie Aushungern und Boykotte zur Einsicht bewegen kann. Wir müssen schon aufpassen, dass wir nicht nur Opfer unserer eigenen Propaganda werden. Einmal hier herfahren und sehen ist besser als tausend mal etwas hören. Wir Parlamentarier agieren hier nur als Fußnoten. Aber solche Besuche wie unserer bewirken etwas.

Dürfen Sie mit Menschen auf der Straße sprechen?

Es ist natürlich alles streng reglementiert, vieles erinnert an die DDR. Es ist ein Land wie aus der Zeit gefallen.

Wie reagieren die Offiziellen?

Da hat man als Bayer einen Vorzug. Uns nimmt man die Offenheit nicht übel.

Das heißt, Sie sprechen auch Klartext?

Natürlich. Verstehen Sie mich nicht falsch: Es gibt viele Punkte, die man scharf kritisieren muss. Aber das ist nicht alles. Sie wären überrascht, wie fantastisch die U-Bahn ist.

Besser als die Münchner?

Die Münchner ist die beste der Welt. Aber immerhin so eindrucksvoll wie vielleicht die Moskauer. So, jetzt muss ich langsam Schluss machen, die Abendzeitung ist mir zwar lieb und teuer, aber die Kosten sind exorbitant. Außerdem wollen wir dem nordkoreanischen Geheimdienst nicht zu viel Arbeit machen. (Es pfeift)

Ganz kurz noch: Wie wirkt eine Diktatur auf einen demokratischen Politiker?

Naja. Je älter ich werde, umso mehr sehe ich auf die Rechte, die man Menschen nicht nehmen darf und auch nicht kann. Zu unserer Freiheit gehört auch, sich in andere hineinzudenken.

Kein heimlicher Neid eines CSU-Manns auf die letzte verbliebene Staatspartei?

Nein. Staat und Politik funktioniert auf die Dauer nur mit Freiwilligkeit. Interview: Frank Müller

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