Experten fordern eine "Pflegeagenda 2013"
Im Prinzip kennt jeder Bundesbürger einen der gut 2,6 Millionen pflegebedürftigen Menschen im Familien- oder Bekanntenkreis.
Wenn es so weitergeht, sind es 2030 an die 3,5 Millionen und 2060 rund 4,7 Millionen. Die deutsche Gesellschaft wird älter, gleichzeitig gibt es immer weniger Arbeitskräfte, die die Pflege übernehmen könnten. Für Angehörige und professionelle Pflegekräfte werden die Belastungen zunehmen. Die wichtigsten Fragen und Antworten dazu:
Wie werden pflegende Angehörige unterstützt?
Der Gesetzgeber hat in dieser Legislaturperiode mehrere Reformen verabschiedet, die die Situation pflegender Angehöriger verbessern sollen. So werden sie bei Sozialbeiträgen (Renten- und Arbeitslosenversicherung) besser abgesichert. Zudem werden die Betreuungsmöglichkeiten ähnlich der Kinderbetreuung erleichtert. In akuten Pflegesituationen können Angehörige bis zu zehn Tage der Arbeit fernbleiben - mit Anspruch auf Lohnersatzleistungen. Bis zu sechs Monate können sich Arbeitnehmer freistellen lassen, um einen Angehörigen zu betreuen. Über zwei Jahre kann dafür die wöchentliche Arbeitszeit reduziert werden. Und es gibt zinslose Darlehen für die Zeit der Pflege. Das Problem: Ein Großteil der pflegenden Angehörigen weiß noch nichts davon.
Wie viel professionelle Pflegekräfte sind zusätzlich nötig?
Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), sagt: jedes Jahr um die 20 000. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung geht davon aus, dass 2030 in der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege sogar 500 000 Vollzeitkräfte fehlen. Beim Werben um neue Arbeitskräfte steht der Pflegeberuf im unmittelbaren Wettbewerb mit anderen, attraktiveren Branchen.
Wie wird der Pflegeberuf attraktiver?
Knapp 320 000 Pflegekräfte (Fach- und Hilfskräfte) arbeiten in einem Krankenhaus, weitere 320 000 in ambulanten Pflegediensten und rund 670 000 in stationären Einrichtungen. Deren Ausbildung soll zusammengelegt werden, damit danach eine Wechsel innerhalb der Pflegeberufe erleichtert wird. Davon erhofft sich die Politik, dass weniger Kräfte - besonders in der anstrengenden Altenpflege - den Beruf ganz an den Nagel hängen. Notwendig ist aber auch eine bessere Bezahlung, vor allem in der Altenpflege.
Reichen diese Maßnahmen aus?
Wohl nicht. Die Bundesregierung wirbt daher seit einigen Jahren im Ausland um Pflegefachkräfte: etwa in Griechenland, Italien, Portugal und Spanien, auch Serbien, Bosnien-Herzegowina, den Philippinen und Tunesien. Mit mäßigem Erfolg. Die meisten dieser sogenannten Arbeitsmigrantinnen und -migranten in Pflegeberufen kamen in den 1990er Jahren. Danach nahm der Zuzug kontinuierlich ab. Das größte Problem ist die Sprache. Englischsprachige Länder haben es da leichter.
Können Arbeitsmigranten die Lücken schließen?
Nein. Der Geschäftsführer des Deutschen Pflegetags, Jürgen Graalmann, wirbt deshalb intensiv dafür, das große Potenzial der Flüchtlinge für die Pflege zu gewinnen. Es gibt zwar vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) keine systematische Erfassung ihrer Qualifikation. Nach den Zahlen, die ihm vorlägen, habe aber etwa die Hälfte der Geflüchteten aus Afghanistan oder aus Syrien eine Schulbildung von zehn Jahren und mehr, sagt Graalmann.
Sind Flüchtlinge gerüstet für die schwere Pflege?
Flüchtlinge aus Syrien oder Afghanistan kennen keine Altenpflege im westlichen Sinn. Pflege wird in den Regionen, aus denen sie kommen, fast ausschließlich in der Familie wahrgenommen. Doch das Potenzial ist da. Was muss für hier lebende Migranten in Sachen Pflege geschehen? Die seit Generationen in Deutschland lebenden Bürger mit Migrationshintergrund kommen ins Renten- und damit auch ins Pflegealter. Bis auf wenige Spezialdienste ist Deutschland auf die sogenannte kultursensible Pflege von Menschen, die einen anderen religiösen und kulturellen Hintergrund haben, noch nicht eingestellt. Die Ausbildung von Flüchtlingen mit muslimischem Hintergrund bietet auch hier eine Chance.
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