EU will Geld für Flüchtlingshilfe in der Türkei einsammeln
Brüssel - Nach dem Sondergipfel mit der Türkei sucht die EU nach Wegen, um die vereinbarten Hilfsmilliarden für das Kandidatenland zusammenzubekommen.
Noch in dieser Woche wollten die ständigen EU-Botschafter darüber beraten, hieß es in Brüssel. Das Thema sei kompliziert und umstritten und könne letztlich bei den EU-Staats- und Regierungschefs landen, die sich wieder am 17. und 18. Dezember in Brüssel treffen wollen.
Beim Extra-Gipfel am Sonntag vereinbarten EU und die Türkei einen gemeinsamen Aktionsplan, um den Zustrom syrischer Flüchtlinge nach Europa einzudämmen. Die Türkei ist das wichtigste Transitland auf dem Weg nach Europa.
Drei Milliarden für Versorgung der Flüchtlinge
Die EU zahlt drei Milliarden Euro an die Türkei, damit Flüchtlinge im Land versorgt werden und Flüchtlingskinder eine Schule besuchen können. In der Türkei leben laut Angaben aus Ankara allein 2,2 Millionen syrische Flüchtlinge.
Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, dass sie selbst 500 Millionen Euro der Flüchtlingshilfe schultert. Die restlichen 2,5 Milliarden Euro würden auf die 28 EU-Staaten entfallen. Wenn nach dem üblichen EU-Schlüssel verfahren wird, kommen auf Berlin etwa 500 Millionen Euro zu, Großbritannien wäre mit rund 400 Millionen Euro dabei. Widerstand gegen das Verfahren gibt es laut Diplomaten vor allen in Osteuropa.
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Der Sondergipfel vereinbarte, dass die Gespräche zum visafreien Reisen und die Beitrittsverhandlungen beschleunigt werden. Ankara sichert zu, heimische Küsten besser zu schützen und effektiver gegen Schlepper vorzugehen. Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sprach von einem historischem Treffen.
Die EU überwindet mit dem neuen Türkei-Pakt eigene Vorbehalte. Seit Jahren werden in Brüssel Defizite bei der Rechtsstaatlichkeit und bei der Pressefreiheit bemängelt. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sagte, Meinungsverschiedenheiten würden nicht unterdrückt: "Menschenrechte, Pressefreiheit - all dies ist wichtig und wird immer wieder zurückkommen."
Merkel erwähnt türkische Menschenrechtssituation nur am Rande
Über Kritik an der Menschenrechtssituation in der Türkei wurde nach Angaben von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beim Gipfel nur am Rande gesprochen. Sie betonte, die verstärkte Zusammenarbeit biete dafür künftig aber mehr Raum. "Wir haben gesagt, wenn wir strategische Partner sind, müssen wir die Themen, zu denen wir Fragen oder auch Anmerkungen oder Kritik haben, auch offen aussprechen."
Türkische Staatsbürger können darauf hoffen, ab Oktober 2016 ohne Visum nach Europa reisen zu dürfen. Auch die lange Zeit quasi eingefrorenen EU-Beitrittsverhandlungen mit dem Kandidatenland werden vorangetrieben.
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Am 14. Dezember soll das Verhandlungskapitel 17 über Wirtschaft und Finanzen geöffnet werden. Die EU-Kommission wird Anfang kommenden Jahres fünf weitere Verhandlungsbereiche vorbereiten. Das sicherte Juncker Regierungschef Davutoglu schriftlich zu, hieß es in Kreisen der Behörde. Es geht um die Verhandlungsabschnitte 15 über Energie, 23 über Justiz, Grundrechte und Rechtstaatlichkeit, 24 über Justiz, Freiheit und Sicherheit, 26 über Ausbildung und Kultur und 31 über Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
Das Verhandlungsprogramm mit dem EU-Kandidatenland ist in 35 Abschnitte eingeteilt - erst ein Kapitel wurde vorläufig geschlossen.