„Ein Grinsen nicht verkneifen“

Wie Vize-Fraktionschefin der Grünen, Bärbel Höhn, den plötzlichen Sinneswandel mancher Unionspolitiker erlebt.
von  tan
Bärbel Höhn ist Vize-Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, war in NRW zehn Jahre Ministerin bei Rot-Grün.
Bärbel Höhn ist Vize-Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, war in NRW zehn Jahre Ministerin bei Rot-Grün. © dpa

 

AZ: Wie hoch taxieren Sie die Wahrscheinlichkeit, dass die Meiler nach den drei Monaten abgeschaltet bleiben?
HOEHN: Zentral wichtig ist, wie die Wahl in Baden-Württemberg ausgeht. Sie entscheidet, wie es in Deutschland mit der Atomkraft weitergeht. Mit Mappus steht ein absoluter Befürworter zur Wahl. Wenn Schwarz-Gelb nicht kippt, wird sich Merkel bestätigt fühlen. Dann wird der alte Kurs mit der Laufzeitverlängerung wieder voll eingeschlagen und die meisten Reaktoren gehen ans Netz zurück.
 

Und wenn Schwarz-Gelb kippt? 
Das wäre ein eindeutiges Zeichen, dass die Menschen eine andere Energiepolitik wollen. Steigen wir ernsthaft in die erneuerbaren Energien ein? Wollen wir raus aus die Atomkraft? Baden-Württemberg ist für Schwarz-Gelb, was NRW für die Sozialdemokraten war. Wenn Sie sich erinnern: Als die SPD dort 2005 verlor, gab es Neuwahlen. Bei Merkel wird das nicht so sein, weil sie viel machtpolitischer denkt.


Laut Forsa bricht Merkel in der Beliebtheit ein - die einen halten ihr Moratorium für eine Farce, die anderen für falsch.
Sie hat stark an Glaubwürdigkeit verloren. Sie hat sich ja alles offengelassen. Wenn Baden-Württemberg in ihrem Sinne läuft, kann sie einfach zurück zu ihrer alten Politik. Das wird als pure Taktik empfunden.

Apropos Taktik: Wie erleben Sie die gewandelte Union? Markus Söder erklärt gerade, die Kernkraft sei, Zitat, „nie ein Markenkern der CSU“ gewesen. Da kann man sich ein Grinsen nicht verkneifen, gerade beim Landesminister. Man muss sich ja nur die Zitate von letzten Herbst raussuchen. Wie glühend und vehement haben sie damals die Laufzeitverlängerung verteidigt. Dass sonst die Lichter ausgehen. Jetzt sind acht Werke vom Netz, und keine Lampe flackert.

Was halten Sie von Merkels Rat der Weisen? Sie versucht zu zeigen: Wir haben verstanden und wollen reden. Aber es ist nur Aktionismus. Da sind genug Befürworter der Kernenergie drin, genug Blockadepotenzial, damit am Ende nix rauskommt. Die eigentliche Entscheidung bezüglich der Überprüfung der Reaktoren will sie der Reaktorsicherheitskommission übertragen. Da sitzen sogar die Betreiber mit am Tisch. Damit dürfen die selber über den Weiterbetrieb ihrer Meiler entscheiden. Da wird der Bock zum Gärtner gemacht.

Was heißt ein Ausstieg für den Verbraucher? Werden die Strompreise steigen?
Ich glaube, dass wir grundsätzlich mit steigenden Energiepreisen rechnen müssen. Weil wir weniger Öl haben, weil der Ausbau der erneuerbaren Energien in der Tat nicht zum Nulltarif zu haben ist – im übrigen kostet auch die Atomkraft noch viel Geld, etwa Stichwort Endlager. Allerdings: Hauptpreistreiber beim Strom ist das Monopol der vier Energiekonzerne, die gesunkene Kosten nicht weitergeben. Das ist unfair.

Was kann der Verbraucher selbst tun? Zum Beispiel ausschaltbare Steckerleisten. Allein für den Standby-Betrieb von Elektrogeräten muss man drei Atomkraftwerke betreiben. Oder: Beim Gerätekauf A++ nehmen, nicht nur A. Das braucht bis zu 45 Prozent weniger Strom, das hat sich schnell rentiert. Im Laden wird immer zuerst A angeboten, und man muss das wissen: A ist gar nicht das Beste. Natürlich können wir alle auch überlegen: Was kann ich abschalten? Also wir daheim haben gesagt: Wir verzichten auf die Tiefkühltruhe, dann kochen wir halt frisch.

 

 

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