„Ein blendender Start für die CSU“
Wer hätte das gedacht: Die 41-Prozent-Umfrage euphorisiert Seehofer dermaßen, dass er sogar den Fraktionschef abbusselt. Nur einer schüttet Essig in die Harmoniesoße von Kreuth.
KREUTH Es ist ein rührender Moment: Am Ende seiner Rede zieht Horst Seehofer den „Schüttel-Schorsch“ hoch von seinem Stuhl. Dann bückt sich der große CSU-Chef hinunter zu Georg Schmid, dem kleineren Fraktionschef. Der streckt sich, so gut er kann, nach oben. Bis sich die Wangen der beiden Männer fast berühren. Seehofer umarmt ihn. Er herzt ihn. Es fehlte nur noch der Bruderkuss. Den gebeutelten CSU-Landtagsabgeordneten wird warm ums Herz, bevor sie im kalten Kreuth wieder ihre Koffer packen. Sie spenden tosenden Applaus.
Die Verbrüderung ist geboren aus der Not. Beide sind in der Beliebtheitsskala der Bayern auf den hintersten Plätzen gelandet – und schnitten genau so mies ab wie SPD-Chef Florian Pronold.
Nun will Seehofer mit seiner Schmuse-Attacke ein Symbol setzen. Sam ma wieder guad! Ein versöhnlicher Abschluss für eine Klausur, die für alle zum Fiasko hätte werden können: Der geplante Putsch gegen den ungeliebten Fraktionschef war gerade noch im Keim erstickt worden. Damit blieb auch die Personaldiskussion um Horst Seehofer aus, ob er der Richtige für die Zukunft Bayerns und die der CSU sei. Auch das Schreckgespenst, dass die CSU sich weiter auf einer rasanten Talfahrt befinde, löste sich in Luft auf. Der Absturz auf 41 Prozent in der Wählergunst ist für die Christsozialen geradezu eine Erleichterung. Horst Seehofer nennt sie „eine frohe Botschaft“! Die Umfrage zeige, dass Bayern nicht ohne die CSU zu regieren sei.
Nach schweren Wochen fahren die Abgeordneten am Freitag erleichtert nach Hause. „Es ist einfach schön, wenn der Schmerz nachlässt“, sagt ein Fraktionsvorstand auf dem Weg aus dem Tegernseer Tal. Andere schwärmen sogar vom „Wunder von Kreuth“.
„Wir sind eine tolle Partei, wir müssen uns nicht verstecken“, ruft ihnen Seehofer zum Abschied zu. Er hat es geschafft. Er hat die Reihen in der zersplitterten Fraktion wieder geschlossen. Er hat ihnen „Kampfeslust“ eingehaucht „Zuversicht und Stolz“. „Das ist doch mit Händen zu greifen“, sagt Seehofer, falls es doch noch nicht alle gemerkt haben sollten.
„Der CSU ist ein blendender Start ins neue Jahr gelungen“, triumphiert Seehofer. Georg Schmid jubelt natürlich mit: „Wir gehen gestärkt, geschlossen und mit neuem Mut aus Kreuth heraus.“ Nur einer stört die Harmonie: Der niederbayerische CSU-Chef und Europaabgeordnete Manfred Weber. Er vermiest Seehofer die schöne Glückseligkeit und posaunt durch Bayern, dass ihn die 41 Prozent weder „hoffnungsvoll“ noch „groß zufrieden“, machen, sondern dass sie ein enormer Vertauensverlust für die CSU seien. Das ärgert Seehofer richtig. Noch in Kreuth beauftragt er seinen Generalsekretär Alexander Dobrindt, sich um Weber zu kümmern und ihn auf Linie zu bringen.
So einfach ist es mit der Geschlossenheit halt doch nicht. Und angekommen in München sticheln schon wieder andere: Der Putsch gegen Schmid sei nur verschoben.
Angela Böhm