Die Welt nach Merkel
München - Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz und ehemalige Botschafter, Wolfgang Ischinger, hat im Umgang mit autoritären Staatenlenkern zur "Gelassenheit" geraten. Denn Figuren wie Türkei-Präsident Recep Tayyip Erdogan oder Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hätten "keinen Ewigkeitswert", sagte Ischinger am Mittwoch im Presseclub. Wenn man wegen des bedenklichen Kurses von Ländern wie Polen und Ungarn mit der "großen Sanktionskeule" vorgehe, führe dies in diesen Ländern zu einer Wagenburgmentalität. "Das ist schädlich", sagte Ischinger.
Lob für Angela Merkel
Großes Lob spendete Ischinger der scheidenden Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie sei mit diesen autoritären Persönlichkeiten mit einer "Eselsgeduld" umgegangen. Auch deshalb sei es gelungen, den türkischen Staatschef Erdogan "meistens wieder auf den Teppich" zurückzuholen.
Nachdrücklich mahnte Ischinger die neue Bundesregierung, die EU zusammenzuhalten und zu stärken. Eine der wichtigsten Ziele sei es dabei, gegenüber China mit einer Stimme zu sprechen, ansonsten würde man auseinanderdividiert oder ignoriert. Die EU zu festigen, sei der "europäische Imperativ".
Der ehemalige deutsche Botschafter in den USA und Großbritannien warnte die Deutschen und Europäer davor, die Welt demokratisieren zu wollen. In der momentanen Lage wäre das "Klassenziel" schon erreicht, wenn man die westlichen Werte und Menschenrechte in den Ländern verteidigen könnte, in denen sie gelten.
Ischinger: "Müssen Wandel als Grundprinzip sehen"
Die Deutschen wollten gerne am Status quo festhalten, kritisierte Ischinger. Das sei ein Fehler: "Wir müssen den ständigen Wandel als Grundprinzip verstehen", so Ischinger: "Wir müssen uns auch ändern."
So seien die Zeiten vorbei, in denen sich die Europäer "wie seit Adenauer" auf den amerikanischen Schutzschirm verlassen könnten. Bisher sei es für die Europäer "ziemlich egal" gewesen, wer im Weißen Haus regiere, weil man davon habe ausgehen können, dass jeder Präsident ein Freund sei. Seit Donald Trump sei das nicht mehr so. Jetzt sei es für Europa wichtig, "dass 2024 nicht wieder so ein Typ wie Trump ins Weiße Haus einzieht."
Nachdem die Sicherheitskonferenz in diesem Jahr aus Pandemie-Gründen nur virtuell stattfand, soll es im Februar 2022 wieder ein großes Treffen von Außen- und Sicherheitspolitikern sowie Staatschefs aus aller Welt in München geben. Das Interesse sei bereits sehr groß. Nach 16 Jahren Merkel wollten viele den neuen Kanzler treffen.