Die SPD im "saisonalen Tief"

Katastrophale Umfragen, bröckelnde Bündnisse, schwere Durststrecken - und eine Vorliebe für extrem schwierige Aufgaben. Wie Ude die Situation noch meistern will  
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"Ich habe eine gewisse Vorliebe für extrem schwierige Aufgaben": SPD-Spitzenkandidat Christian Ude.
"Ich habe eine gewisse Vorliebe für extrem schwierige Aufgaben": SPD-Spitzenkandidat Christian Ude. © Lennart Preiss, dapd

 

Katastrophale Umfragen, Mund-halte-Parolen, bröckelnde Bündnisse, schwere Durststrecken - und eine Vorliebe für extrem schwierige Aufgaben. Wie Ude die Situation noch meistern will

AZ: Ihr Kanzlerkandidat Peer Steinbrück ist abgestürzt, die Bayern-SPD mit 19 Prozent wieder dort, wo sie auch ohne Sie war. Wie tief stecken Sie nach dieser Schockwelle in Schwierigkeiten?

CHRISTIAN UDE: Die SPD befindet sich in einem saisonalen Tief. Wir haben bundesweit einen Rückschlag zwischen drei und fünf Prozent, der sich auch auf Länderebene auswirkt. Sogar auf Niedersachsen. Dort galt das Ergebnis monatelang als gesichert. Jetzt ist es höchst spannend.

Sie haben damals Druck gemacht, dass Steinbrück schnell Kanzlerkandidat wird, damit er auch für Rückenwind in Bayern sorgt. War das ein Fehler?

Die Einschätzung seiner Kompetenz hat sich nicht im Geringsten verändert. Ich halte ihn nach wie vor für eine der erfahrensten und kompetentesten Persönlichkeiten der nationalen und internationalen Finanzpolitik. Wenn man von Fehlern spricht, dann sind es Äußerungen und Vorgänge, die die letzten Wochen die Medien beherrscht haben.

Als bayerischer Ministerpräsident verdienen Sie gut 200 000 Euro im Jahr. Ist das zu wenig im Vergleich zu Ihrem Stadtsparkassen-Chef?

(Ude lacht ) Ich habe schon immer gesagt: Weder meine Person noch meine Arbeit sind mit Geld ausreichend zu würdigen. Ich lasse mich auch nicht mit Geld abspeisen. Ich möchte politisch gestalten. Sei es in München oder später in Bayern. Wenn man diese Motivation hat, fragt man nicht nach der Gehaltshöhe.

Haben Sie Steinbrück nicht mal geraten, er solle lieber den Mund halten?

Ich glaube, dass er dieses Ratschlages nicht mehr bedarf, weil er ihn öfter hört.

Mal ehrlich: Hat Ihnen Steinbrück auch den Machtwechsel in Bayern versaut?

Nein! Ich bin der festen Überzeugung, dass wir noch viele Schwankungen erleben werden. Nichts ist zur Zeit so instabil wie die Umfragesituation. Nehmen wir nur Klaus Wowereit zwischen seiner triumphalen Wahl und der heutigen Einschätzung. Oder die Piraten, die mal zweistellig waren. Die Grünen haben den Fukushima-Schub hinter sich. Es gibt jede Woche eine neue Einschätzung der Situation.

Jeder vierte SPD-Anhänger glaubt, dass Steinbrück es nicht kann. Sie haben noch gute Stürmer auf der Ersatzbank. Wäre ein Wechsel in letzter Sekunde die Rettung?

Ich halte nichts von Personalspekulationen. Schon gar nicht auf öffentlicher Bühne. Die Umfrage heißt ja umgekehrt, dass drei Viertel auch nach den Turbulenzen der letzten Wochen ihn für die richtige Wahl halten.

Horst Seehofer kann sich alles erlauben. Die Bayern lieben Ude, wählen aber Seehofer. Wie erklären Sie sich das?

Mit der in Bayern doch noch sehr starken strukturellen Macht der CSU. Und damit, dass der ganze Staatsapparat für den Vorwahlkampf eingesetzt werden konnte. Das ist für einen Herausforderer nirgendwo möglich.

Alles, was Sie fordern, macht Seehofer gleich selber. Nächste Woche will Ihnen die CSU-Landtagsfraktion in Kreuth auch noch Ihr Vorzeige-Thema „soziale Gerechtigkeit“ streitig machen. Kommen Sie sich da nicht wie der Hamster im Rad vor?

Ich komme mir vor als jemand, der in seinem politischen Leben eine atemberaubende Wandlung erlebt. Ich habe 45 SPD-Jahre darunter gelitten, dass die CSU ein Granitfelsen in der Landschaft ist. Jetzt empfinde ich sie als Wachs in unseren Händen. Die Sozialdemokratisierung der CSU nimmt schon ein atemberaubendes Tempo an. Ihnen bleibt nur, dass Grüne und Freie Wähler Sie mitziehen.

Aber 82 Prozent der FW-Anhänger wollen lieber mit der CSU. Ist das Dreier-Bündnis damit Geschichte?

Das nehme ich sehr ernst. Meine Aufgabe ist es, die zahlreichen Gemeinsamkeiten zwischen den Oppositionsparteien im Landtag und die Gemeinsamkeiten gerade in der Kommunalpolitik in den nächsten acht Monaten ganz stark zu betonen. Ich werde auf die Anhänger der Freien Wähler zugehen. Da ist ein hartes Stück Arbeit zu leisten.

Im Sommer 2011 haben Sie Ihr berühmtes Crescendo angekündigt. Liegt’s am Orchester oder am Dirigenten selber, dass man nichts hört?

Das Crescendo findet statt: in der Programmdiskussion, in der politischen Arbeit, bei der Bildung eines Beraterteams, dem die CSU nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen hat. Weder in der Wirtschaftpolitik noch bei Hochschulfragen. Unsere Veranstaltungen sind so gut besetzt wie seit Jahrzehnten nicht. Ich gebe aber zu, die bundesweite Tendenz wirkt sich auch auf Bayern aus.

Wie ist es für den verwöhnten Münchner Bürger-King, auf dem Parkett der Enttäuschungen zu tanzen?

Das ist für mich überhaupt kein Problem, weil ich die Erfahrung von aussichtslosen Ausgangssituationen oder schweren Durststrecken mein ganzes politisches Leben lang intensiv kennenlernen durfte. Ich hab’ ja auch schon jede Menge Niederlagen erlitten. Ich kenne den Wahlkampf in der Diaspora. Ich habe sogar eine gewisse Vorliebe für extrem schwierige Aufgaben.

 

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