Die Geschichte dieser Seite
Der NSU-Prozess ohne türkische Berichterstatter? Ein Unding! Deswegen hat die AZ beschlossen etwas zu tun. Aber die Posse um den Prozess war schneller
Am Anfang war es Unverständnis – dann wurde eine völkerverständigende Geste daraus: Als die Presseplätze für den NSU-Prozess in München zum ersten Mal per Los besetzt wurden, stellte sich heraus, dass keine türkische Zeitung Zugang zum Gerichtssaal erhalten sollte. Und dies, obwohl acht der zehn Opfer des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds türkische Wurzeln hatten.
Für uns als Journalisten der Abendzeitung war das undenkbar. Und als sich herausstellte, dass das Münchner Oberlandesgericht von sich aus keine Veranlassung sah, an dieser einmal festgelegten Praxis etwas zu ändern und uns selbst das Abtreten unseres zugelosten Platzes an ein türkisches Medium unmöglich gemacht wurde, hatten wir eine Idee: Ab sofort würden wir nicht nur wie sonst auf Deutsch über den NSU-Prozess (der da noch gar nicht begonnen hatte) berichten, sondern auch auf Türkisch.
Die Berichte der Abendzeitung zum NSU-Prozess, die online oder gedruckt erscheinen, sollten übersetzt werden. Damit auch Menschen, die lediglich Türkisch oder besser Türkisch als Deutsch verstehen, dem Geschehen folgen können. Dazu brauchten wir Hilfe. Und die fand sich schnell – in Person von Rahmi Turan, München-Korrespondent der türkischen Zeitung „Sabah“. Der Zeitung, die gegen die Auslosung der Presseplätze beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde eingelegt hat.
Er übersetzte die Artikel, die sie hier auf der Seite sehen. Zusammen mit ihm konzipierten und schrieben wir eine Politik-Seite auf Deutsch und auf Türkisch für den 12. April 2013 – dem Datum, an dem diese Unterseite von abendzeitung.de online ging. Ausgerechnet an diesem Tag entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Plätze im Saal des Oberlandesgerichts neu, anders besetzt werden müssen. Es wäre möglich gewesen, einfach drei weitere Plätze für türkische Medien zu reservieren.
Das OLG wählte einen anderen Weg, als den, den ihm in unseren Augen das Bundesverfassungsgericht nahe gelegt hatte: Es beschloss, alle Presseplätze neu zu verlosen. Bisher hatte die Abendzeitung einen festen Platz. Aber schon da lag nahe, dass die türkischen Kollegen nach der Neubesetzung unsere Unterstützung nicht mehr brauchen werden.
Und so kam es auch: Sabah erhielt bei der Neubesetzung einen festen Platz. Das war gut. Schlecht war: Die Abendzeitung bekam keinen festen Platz. Diese Unterseite auf Türkisch fortzusetzen, machte ab da keinen Sinn mehr: Sabah ist fest in den Prozess vertreten. Deren Korrespondent Rahmi Turan zieht regelmäßig in der AZ aus türkischer Sicht Bilanz. Die AZ führt die Kooperation mit Sabah weiter, bei der Berichterstattung aus dem Gericht wechseln wir uns mit den Stuttgarter Nachrichten, der Heilbronner Stimme und der Nürnberger Zeitung ab – alles Zeitungen, die an NSU-Tatorten erscheinen, so wie die Münchner Abendzeitung auch.
Wir bedanken uns bei Sabah für die vorbildliche Zusammenarbeit!