Die farbenfrohe Familie
MÜNCHEN - Mutter und Tochter in einem Parlament – das gab es noch nie: Doch das schwarz-grüne Duo Barbara und Claudia Stamm fühlt sich im Landtag wohl. Und in einem Punkt sind sich die beiden sogar einig: Schwarz-grün hat keine Chance.
„Das ist sogar weltweit einmalig“, vermutet Claudia Stamm (38). Als Nachrückerin bei den Grünen zog sie gestern für Ex-Filmstar Barbara Rütting (81) in den bayerischen Landtag ein – begrüßt ganz offiziell von ihrer Mutter, der CSU-Landtagspräsidentin Barbara Stamm (64). Die war sichtlich bewegt: „Für mich ist das etwas Besonderes.“
Lange hatte sie überlegt, wie sie ihre Tochter im Parlament begrüßen wird. „Es tut jetzt nichts zur Sache, was eine Mutter und Großmutter empfindet“, beginnt sie ihre Rede. Sie stelle in diesem Moment ihre Gefühle zurück und halte sich an die parlamentarischen Gepflogenheiten. „Ich begrüße unsere neue Kollegin Claudia Stamm“, sagt sie mit brüchiger Stimme, „und wünsche alles Gute und dass auch alles gut gelingt in Vereinbarkeit von Beruf und Familie.“ Die sitzt oben auf den Zuschauerrängen. Wie wild winken die Töchter von Claudia Stamm, Lina (6) und Maja (fast zwei) hinunter zur Oma.
In der Familie wiederholt sich Geschichte. Claudia Stamm war auch gerade sechs Jahre alt, als ihre Mutter 1976 ebenfalls als Nachrückerin in den Landtag rutschte. Bisher gab es im bayerischen Landtag nur einmal Vater und Sohn: Als Thomas Goppel ins Parlament einzog, war Vater Alfons Ministerpräsident.
"Was haben Sie in der Erziehung falsch gemacht?"
„Muss ich mich jetzt Links hinstellen?“, fragt Claudia noch unsicher, als sie sich mit ihrer Mutter dem Blitzlichtgewitter stellt. Die Grüne ist ganz in Schwarz, im Hosenanzug. Ihre Schwarze Mutter dagegen im Blumenrock und Pink-Blazer. Bisher hatten die beiden nur ein einziges Exklusivinterview in der AZ gegeben. Was Stamm gleich Ärger in der CSU eingebracht hatte, sie würde Werbung für die Grünen machen. „Scherzhaft ist man schon mal gefragt worden: Was haben Sie in der Erziehung falsch gemacht?“, spielt sie die Kritik herunter. Barbara Stamm war immer klar: Wenn sich ihre Tochter politisch betätigen sollte, würde sie das nicht in der CSU tun. „Aber ich bin stolz“, sagt die Mutter, „dass sie sich in der Politik betätigt.“
Zu den Grünen ist die Tochter durch einen Onkel im fernen Berlin gekommen. „Der war in unserer schwarzen Großfamilie das grüne Schaf“, erzählt Claudia Stamm. Wie schon ihre Mutter, will auch sie sich vor allem für Sozialpolitik engagieren. „Da war sie immer mein Vorbild“, sagt die Tochter über die Mutter.
Eine schwarz-grüne Koalition für Bayern aber schließen beide aus. Claudia Stamm: „Kurz und auch mittelfristig ist die nicht möglich.“ Barbara Stamm: „Da sind wir in Bayern noch nicht so weit.“ „Dann sind wir uns ja mal einig“, kokettiert die Tochter.
Am Nachmittag gratuliert ihr auch Ministerpräsident Horst Seehofer: „Lassen Sie sich nichts gefallen.“ Claudia Stamm schmunzelt. In diesem Moment muss sie sich darin bestätigt gefühlt haben, nicht zur CSU gegangen zu sein. „Ich kämpfe für die Gleichstellung der Geschlechter“, hatte sie im AZ-Interview gesagt. „Und da ist die CSU einfach nicht die Partei einer Frau.“
Angela Böhm