Druck auf Israel wächst - Deutschland bremst bei Sanktionen

Laut Experten zeichnet sich im Gazastreifen eine Hungersnot ab. Deutschland will in Kürze Hilfsgüter über dem Kriegsgebiet abwerfen lassen - EU-Sanktionen gegen Israel aber vorerst nicht zustimmen.
dpa |
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Laut internationalen Experten zeichnet sich eine Hungersnot im Gazastreifen ab. (Archivbild)
Laut internationalen Experten zeichnet sich eine Hungersnot im Gazastreifen ab. (Archivbild) © Rizek Abdeljawad/XinHua/dpa
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Tel Aviv/Gaza

Israel sieht sich wegen der katastrophalen Zustände im umkämpften Gazastreifen einem immer stärkeren internationalen Druck zum Handeln ausgesetzt. Laut internationalen Experten für Ernährungssicherheit zeichnet sich in dem Küstengebiet "das schlimmste Szenario einer Hungersnot" ab. Sollte die israelische Regierung nicht wesentliche Schritte unternehmen, diese entsetzliche Situation zu beenden und sich zu einem langfristigen, nachhaltigen Frieden bekennen, werde Großbritannien - so wie Frankreich - den Staat Palästina anerkennen, warnte der britische Premier Keir Starmer.

Israels Außenministerium kritisierte diesen Vorstoß mit scharfen Worten. Die Anerkennung Palästinas als Staat wäre eine "Belohnung für die Hamas" und würde die Bemühungen um eine Waffenruhe im Gazastreifen sowie die Freilassung der noch immer von der Hamas und anderen Extremisten festgehaltenen Geiseln beeinträchtigen, hieß es in einer Mitteilung.

Deutschland bremst bei EU-Israel-Sanktionen

Deutschland und mehrere andere EU-Staaten wollen einem Vorschlag zur Sanktionierung Israels wegen der katastrophalen humanitären Lage in Gaza vorerst nicht zustimmen. Bei Beratungen im Ausschuss der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten in Brüssel habe deswegen keine schnelle Einleitung des Entscheidungsverfahrens vereinbart werden können, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur von Diplomaten. Konkret hatte die EU-Kommission am Montagabend empfohlen, die Teilnahme Israels am Forschungsförderungsprogramm Horizon Europe teilweise auszusetzen. 

US-Präsident Donald Trump verschärfte derweil den Ton gegenüber Israel und forderte den Verbündeten mit Nachdruck auf, die hungernde Bevölkerung in Gaza mit mehr Lebensmitteln zu versorgen. "Ob man nun von Aushungern spricht oder nicht - das sind Kinder, die hungern", sagte er auf dem Rückflug aus Schottland. "Ich denke, jeder - es sei denn, er ist ziemlich kaltherzig oder noch schlimmer: verrückt - kann nichts anderes sagen, als dass es schrecklich ist, diese Kinder zu sehen." Man werde ihnen die nötige Nahrung bringen. 

Deutschland beteiligt sich an Hilfsgüter-Abwürfen

"Es müssen sofortige Maßnahmen ergriffen werden, um die Feindseligkeiten zu beenden und ungehinderte, großangelegte, lebensrettende humanitäre Hilfe zu ermöglichen", heißt in einer Einschätzung der IPC-Initiative zur Analyse von Ernährungskrisen. Dies sei der einzige Weg, um weitere Todesopfer und katastrophales menschliches Leid zu verhindern, erklärten die Experten. 

Nach Angaben von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sind zwei Bundeswehr-Maschinen aufgebrochen, um als Teil internationaler Bemühungen die Bevölkerung im Gazastreifen aus der Luft zu versorgen. Die Maschinen würden in Jordanien ausgerüstet und ihre Einsätze möglicherweise schon heute, spätestens aber ab dem Wochenende fliegen, kündigte Merz an. 

Helfer halten den Abwurf von Hilfsgütern wegen der relativ geringen Mengen für ineffektiv und teuer, etwa im Vergleich zu Lkw-Transporten. Die Paletten könnten Menschen am Boden verletzen oder töten. Kritiker sprechen von einer symbolischen Geste, die mehr dem eigenen Image diene als den Betroffenen.

Bundesregierung: Kurs israelischer Regierung "völlig falsch"

Die Bundesregierung forderte die israelische Regierung bei einer UN-Konferenz zur Zweistaatenlösung in New York zu einer Kursänderung auf. "Als Deutschland haben wir gesagt, dass wir einen palästinensischen Staat eher am Ende solcher Verhandlungen anerkennen würden. Das ist weiterhin unsere Position – aber wir sehen, dass die derzeitige israelische Politik in die entgegengesetzte Richtung weist", sagte Staatsminister Florian Hahn. Dies sei "völlig falsch" und diene nicht den langfristigen Sicherheitsinteressen Israels. 

Mit Zweistaatenlösung ist die Schaffung eines unabhängigen palästinensischen Staates gemeint, der friedlich Seite an Seite mit Israel existieren soll. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte kürzlich angekündigt, Ende September vor der UN-Generalversammlung in New York Palästina als Staat anzuerkennen. Anders als Deutschland droht nun auch Großbritannien damit.

Arabische Länder fordern Ende der Hamas-Herrschaft

Mehrere arabische Staaten, darunter die zwischen Israel und der Hamas vermittelnden Länder Ägypten und Katar, forderten unterdessen bei der UN-Konferenz zur Zweistaatenlösung ein Ende der Hamas-Herrschaft im Gazastreifen. In einem siebenseitigen Dokument, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, verlangten insgesamt 17 Länder konkrete Schritte für ein Ende des Konflikts.

"Der Krieg in Gaza muss jetzt enden", heißt es zu einer der Voraussetzungen für das Ziel einer Zweistaatenlösung, zu der Israel sich bekennen müsse. In dem Dokument wird auch das Massaker der Hamas in Israel am 7. Oktober 2023 verurteilt, das den Krieg auslöste. Auch der britische Premier Starmer sagte, dass die Forderungen an die Hamas bestehen blieben: Sie müsse alle Geiseln freilassen, einer Waffenruhe zustimmen, akzeptieren, dass sie keine Rolle beim Regieren des Gazastreifens spielen werde und die Waffen niederlegen. 

Netanjahu: Hamas ist größtes Hindernis für Gaza-Abkommen

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sieht in der Terrororganisation das größte Hindernis für das Zustandekommen eines Waffenruhe-Abkommens. Seit dem Abzug des israelischen Verhandlungsteams aus Katar habe er viele Beratungen zu dem Thema geführt, sagte Netanjahu in einer Videobotschaft. "Aber es gibt ein großes Hindernis, und jeder weiß, was das ist: die Hamas." 

Netanjahu hatte nach dem Abzug der Delegation "alternative Optionen" erwähnt, um die noch immer im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln zu befreien. Laut israelischen Medien gehört dazu auch die mögliche Annexion von Teilen des Gazastreifens. Netanjahu werde in den nächsten zwei Tagen erneut Beratungen über das weitere Vorgehen abhalten, schrieb die "Times of Israel".

"Die Vorstellung, dass militärischer Druck die Hamas an den Verhandlungstisch bringen und ihre Forderungen abschwächen würde, ist bisher gescheitert", zitierte die US-Zeitung "Wall Street Journal" einen leitenden Mitarbeiter der in Jerusalem ansässigen Denkfabrik Jewish People Policy Institute. "Israels Politik ist im Moment sehr reaktiv und nicht proaktiv", sagte der Experte. 

Ofer Guterman vom Institut für nationale Sicherheitsstudien in Tel Aviv sagte der Zeitung: "Israel befindet sich derzeit an einem Scheideweg." Israel müsse nun entscheiden, ob es den gesamten Gazastreifen besetzen oder ein Abkommen unterzeichnen will, um den Krieg zu beenden und die Geiseln herauszuholen.

Aktivisten melden erneut israelische Angriffe in Syrien 

Unterdessen griff Israel trotz einer vereinbarten Waffenruhe in Syrien nach Angaben von Aktivisten Ziele in dem Nachbarland an. Dazu gehörten bewaffnete Gruppen und Fahrzeuge von Beduinen-Clans sowie regierungsnahen Milizen in der südlichen Provinz Suwaida, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Ein Sprecher der israelischen Armee erklärte auf Anfrage, keine Kenntnis von Angriffen zu haben.

Seit dem Ausbruch von Kämpfen in Syrien zwischen ethnischen und religiösen Gruppen hat Israel mehrfach Ziele in Suwaida und der Hauptstadt Damaskus bombardiert. Israel will damit nach eigener Aussage die drusische Gemeinde in Syrien schützen, verfolgt damit aber auch andere strategische Interessen.

Hinweis: Diese Meldung ist Teil eines automatisierten Angebots der nach strengen journalistischen Regeln arbeitenden Deutschen Presse-Agentur (dpa). Sie wird von der AZ-Onlineredaktion nicht bearbeitet oder geprüft. Fragen und Hinweise bitte an feedback@az-muenchen.de

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