Der Untote aus Russland: Warum Wladimir Putin immer wieder für tot erklärt wird
Moskau - Obwohl die Behauptung, Putin sei gestorben, nur aus zwei russischen Kanälen zweifelhafter Herkunft im Sozialen Netzwerk Telegram stammt, war sie sofort in allen internationalen Medien ein Riesenthema. Das verstärkte sich noch, als vor wenigen Tagen ein Sprecher des Ukrainischen Militärgeheimdienstes im Radio erklärte, solche Gerüchte würden von den russischen Behörden selbst kommen, um die Reaktionen ihrer Eliten zu studieren.
Spekulationen um den Gesundheitszustand des russischen Präsidenten sind nichts Neues. Der Wiener Russlandexperte Alexander Dubowy sieht hier im Gespräch mit der Abendzeitung schon fast eine Tradition in Russland. Bereits unter Putins Vorgänger Boris Jelzin waren dessen Gesundheit und ihre Folgen für die Zukunft des Landes ein Dauerthema.
Parkinson, Krebs, Alzheimer und Depressionen: Die angebliche Krankakte von Wladimir Putin
Besonders heftig wurde es bei Putin 2017 bis 2020, als er nacheinander gemäß Web-Gerüchten an Parkinson, Krebs, Alzheimer und Depressionen leiden sollte. Ein Heer von Journalisten beobachtete daraufhin genau jeden Zug des Kreml-Chefs. Wie oft er noch seinen Corona-Bunker verließ oder wann er einen Hustenanfall hatte.
Eine entscheidende Rolle spielte bei den Gerüchten vor drei Jahren ein russischer Historiker namens Waleri Solowej. Das ist deswegen wichtig, weil er auch als eine der beiden Quellen des aktuellen "Todes" von Putin gilt. Die andere Quelle soll ihm nach Informationen des ZDF ebenfalls nahe stehen. Solowej ist eine schillernde Persönlichkeit. Obwohl früher Professor der renommierten Moskauer Diplomatenschule MGIMO wandelte er sich zum Kritiker Putins.
Werden die Gerüchte um den Tod von Wladimir Putin absichtlich gestreut?
Allerdings kam seine Kritik erst von rechtsradikaler und dann plötzlich von liberaler Seite, so dass ihn immer der Verdacht verfolgte, seine Opposition sei nicht echt. Dazu trug bei, dass er ganz unabhängig von Putin mit merkwürdigen Vorhersagen glänzte. Etwa 2016, als er vor der damaligen Dumawahl Ausreisesperren für die Russen ins Ausland prognostizierte, zu denen es nie kam.
So fragen sich viele Russlandfachleute, wer eigentlich wirklich hinter den Todes- und Krankheitsgerüchten rund um den Kreml-Chef steht, und sind sich da beileibe nicht einig. Der österreichische Russlandexperte Gerhard Mangott schreibt in seinem bald erscheinenden Buch "Russland, Ukraine und die Zukunft", das der Abendzeitung auszugsweise vorliegt, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese absichtlich gestreut würden.
In Russland glaubt man, der Westen steckt hinter den Gerüchten
Als mögliche Urheber sieht er vor allem westliche Geheimdienste. Ziel dabei sei es, Unruhe innerhalb der russischen Führungselite zu stiften, deren zentrale Symbolfigur Putin sei. "Alle müssten sich fragen, wie es um ihre Macht und ihren Einfluss bestellt sein würde, sollte Putin nicht mehr der Staatenlenker sein."
Die Ansicht, derartige Gerüchte würden vom Westen gestreut, ist in Russland sehr verbreitet, auch außerhalb des Kreml-Anhangs. So hält der Deutschlandkorrespondent der unabhängigen Moskauer Zeitung Nesawissimaja Gaseta, Oleg Nikiforov, alle Vermutungen für den Teil eines ideologischen Kampfes. Dieser tobe auf allen Gebieten zwischen dem westlichen Liberalismus und dem nationalkonservativen Russland.
Nutzen die Todesmeldungen Wladimir Putin sogar?
Der russische Oppositionelle Grigori Judin antwortet auf die Frage nach den Spekulationen nur mit der vielsagenden Bemerkung, dass in der "byzantinischen Politik fast alles verborgen ist und deswegen immer viele Gerüchte existieren".
Eine andere Auffassung vertritt der Wiener Russlandfachmann Alexander Dubowy. Auch er glaubt, dass jedes Gerücht um Putin Unsicherheit in Russland produziere. Dies sei jedoch ganz im Sinne des Kreml, also der mächtigen Präsidialverwaltung. Denn in unsicheren Zeiten schare sich das Volk um Putin. Mitglieder der Eliten zeigten bei solchen Gerüchten, wo sie wirklich stehen. Dubowy hält es durchaus für möglich, dass das Gerede aus dem Kremlapparat selbst stammt, um seine positiven Effekte zu nutzen.
Eine Frage bleibt: Warum nutzt Wladimir Putin bei öffentlichen Auftritten Doppelgänger?
Bei einem Thema sind sich die Experten allerdings einig: Dass Putin noch lebt, egal wie es um seine Gesundheit bestellt ist. Die letzte Sicherheit fehlt hier wegen den immer wieder berichteten Putin-Doppelgängern, die er bei öffentlichen Auftritten nutzen soll. "Es ist durchaus möglich, dass in Situationen mit großen Menschenmengen, beim Händeschütteln und Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern Doppelgänger eingesetzt werden", schreibt Gerhard Mangott in seinem Buch. Das geschehe aber nach seiner Auffassung aus Sicherheitsgründen und nicht zum Verbergen seines Todes.
Da der 71-jährige Putin selbst um jede Phase seines Privatlebens ein Geheimnis macht, ist er nicht unschuldig an der Gerüchteküche um seine Person. So wird die "Kreml-Astrologie" wohl noch lange ein Steckenpferd unter Journalisten auf der ganzen Welt bleiben.
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