Der Fehlstart des Philipp Rösler
Er kandidiert für den FDP-Vorsitz – aber hat einen erstenMachtkampf schon verloren: Wirtschaftsminister Rainer Brüderle bleibt, der designierte Parteichef muss weiter Gesundheit machen.
Berlin - Philipp Rösler hat die falsche Tür erwischt: Auf dem Weg zur Präsidiumssitzung im Reichstag findet sich der Gesundheitsminister plötzlich mitten im Kamera-Pulk wieder. Nur mühsam kann er sich einen Weg bahnen, rempelt mit dem Kinn kurz auf seinen Vordermann auf, wird fast an die Wand gedrückt.
Ein passendes Bild: Rösler hat sich am Dienstag wie erwartet als designierter neuer FDP-Chef ausrufen lassen. Aber er hat sich an die Wand drängen lassen. Seinen ersten großen Machtkampf hat er schon verloren – noch bevor er gewählt wurde. Sein Gegenspieler Rainer Brüderle hat gesiegt: Er darf Wirtschaftsminister bleiben. Diesen Job hätte Rösler gerne gehabt. Doch der 65-jährige Brüderle hat sich der noch von Westerwelle ausgetüftelten Ministerrochade in den Weg gestellt, den vollständigen Generationswechsel verhindert. Einer Kampfabstimmung wollte sich Rösler offenbar nicht stellen. Deshalb bleibt er jetzt Gesundheitsminister. Von wegen Aufbruch. Der Pattex-Politiker hat gewonnen.
Brüderle ist in der Vergangenheit zwar nicht gerade als Quell vieler kreativer Ideen aufgefallen – aber in der Partei ist er trotzdem extrem gut vernetzt. Brüderle ist eine Galionsfigur des liberalen Wirtschaftsflügels, der auch in der Union seine Fans hat. Und Brüderle hat mal wieder bewiesen, dass man ihn – trotz seines pfälzischen Nuschel-Akzents und trotz seiner leutseligen Tapsigkeit – nicht unterschätzen darf. Brüderle hält die junge FDP-Garde rund um Rösler, Lindner und Bahr für zu links, er kann die Jungspunde nicht leiden – und das beruht auf Gegenseitigkeit. Einfacher wird die Zusammenarbeit also bestimmt nicht.
Besonders für Philipp Rösler wird es jetzt schwer: Er muss den FDP-Vorsitz und sein Gesundheitsministerium unter einen Hut bringen. Nur: Dieses Ministerium ist das Schlechte-Nachrichten-Ressort. Es ist die Alles-Wird-Teurer-Abteilung – als Gesundheitsminister macht man keine Positiv-Schlagzeilen. Soll Rösler sich also wirklich auf der einen Seite von Pharma-, Ärzte- und Kassenlobby prügeln lassen, andererseits das sympathische, neue Gesicht der FDP verkörpern? Wie soll das funktionieren?
Diese Sorgen macht sich auch die CSU. „Wenn die FDP das wirklich macht und Rösler im Gesundheitsministerium belässt”, sagt Ex-Parteichef Erwin Huber gestern kurz vor der FDP-Entscheidung zur AZ, „dann gehört sie der Katz.”
Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel dagegen könnte sich eine Zusammenarbeit mit Rösler wohl gut vorstellen. Zwar verbindet sie mit Westerwelle ein enges Vertrauensverhältnis. Aber das hat in den vergangenen Monaten durchaus Schaden genommen. Und Merkel schätzt an Rösler, dass er, anders als Westerwelle, ungern die schrillen Töne und die spektakulären Alleingänge sucht. Rösler soll außerdem den Vizekanzler-Posten übernehmen. Ein Novum: Bisher hatten stets die Außenminister dieses Amt inne.
Womit man bei der Frage wäre: Was ist mit Guido Westerwelle? Kann er – endgültig abgesägt – Deutschland noch würdig im Ausland vertreten? Oder bedeutet das: Außenpolitik wird in Zukunft gleich ganz im Kanzleramt angesiedelt und das Außenamt ist nur noch die Pro-Forma-Kulisse für deutsche Außenpolitik?
FDPler führen hier gerne an: Auch Hans-Dietrich Genscher, auch Klaus Kinkel waren lange Jahre Außenminister ohne gleichzeitig FDP-Chefs zu sein. Doch es gibt einen Unterschied: Genscher und Kinkel waren beide beliebt als Politiker und glaubwürdig im Amt. Westerwelle ist so unbeliebt wie kein Außenminister vor ihm. Und Westerwelle nimmt niemand ab, dass Außenpolitik immer schon seine größte Leidenschaft war. War sie ja auch nie – seine größte Leidenschaft war immer die FDP.
Neben Westerwelle und Brüderle stand auch Fraktionschefin Birgit Homburger in der Kritik – doch so wie es aussieht, darf auch sie bleiben. Der Fraktionsvorstand hatte der 45-Jährigen das Vertrauen ausgesprochen. FDP-Schatzmeister Hermann Otto Solms bescheinigte ihr gar einen „guten Job”. Das dürften nicht viele in der FDP unterschreiben. Auch nicht Gesundheits-Staatssekretär Daniel Bahr, der auf ihren Sessel spekuliert hatte. Gesundheitsminister kann er ja jetzt nicht werden.
Die Bilanz: Rösler wird Chef, aber Brüderle bleibt, Westerwelle bleibt, Homburger bleibt. Die Jungen stehen in der zweiten Reihe. Das ist Generationswechsel à la FDP.