Der Atomzug rollt durchs Land

KARLSRUHE/WÜRZBURG Seit Mittwochmorgen ist der Castor-Transport mit 56 Tonnen hoch radioaktivem Abfall von Karlsruhe unterwegs in das Zwischenlager Nord bei Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern. Am Donnerstag soll der Atomzug sein Ziel erreichen, dabei rollte er gestern auch durch Bayern. Bisher beteiligten sich mehrere hundert Menschen an Blockaden.
In der Nacht zum Mittwoch hatten sich Atomgegner in Karlsruhe vor der Abfahrt der fünf Castor-Behälter zu einer „Nacht-Tanz-Blockade” versammelt. 100 Meter von den Gleisen entfernt errichteten sie ein großes Festzelt, obwohl entlang der gesamten Strecke in Karlsruhe ein Versammlungsverbot galt. Kurz vor 23 Uhr liefen die Demonstranten dann zu den Schienen. Zunächst griff die Polizei nicht ein, kurze Zeit später begann sie, die Aktivisten von den Gleisen zu tragen.
Laut einem Polizeisprecher befanden sich zu diesem Zeitpunkt rund 300 Menschen auf den Schienen. Die Veranstalter sprachen sogar von rund 700 Menschen. Nach etwa 90 Minuten war die Blockade aufgelöst. Die Polizei nahm 310 Demonstranten fest, es kam zu kleineren Rangeleien, wobei ein Polizist durch den Schlag eines Demonstranten eine Gehirnerschütterung erlitt. Die Atomkraftgegner werfen der Polizei vor, bei der Räumung Pfefferspray eingesetzt zu haben und sprechen von mehreren Verletzten. Die Organisatoren sprachen dennoch von einem Erfolg, weil sich die Abfahrt des Castor-Transports um einige Stunden verzögert habe.
Der Greenpeace-Atomexperte Heinz Smital forderte den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) auf, „beim Thema Atommüll endlich Verantwortung zu übernehmen”. Die Castor-Gegner kritisieren, dass der Atommüll aus Baden-Württemberg nicht auch dort gelagert wird. Dies lehnte Mappus bisher ab. Das Hauptanliegen der Demonstranten ist aber, dass keine Energie mehr aus Atomkraft produziert wird.
Durch mehrere hundert Polizisten gesichert, verließ der Atomzug schließlich gegen 3.15 Uhr die ehemalige Wiederaufarbeitungsanlage in Karlsruhe. Gegen 6.30 Uhr erreichte der Zug den Enzkreis in Baden-Württemberg und fuhr anschließend über Pforzheim, Bietigheim-Bissingen und Heilbronn in Richtung Würzburg (Bayern). Der Polizei zufolge kam es seitdem noch zu keinen weiteren Zwischenfällen. Lediglich „eine Handvoll” Atomgegner habe auf einer Brücke friedlich demonstriert.
Bereits im November des vergangenen Jahres, war es bei einem Castor-Transport ins deutsche Zwischenlager Gorleben zu zahlreichen Schienen- und Straßenblockaden gekommen. uao