CSU Oberbayern: Da hilft nur noch beten

„Das Herz der CSU schlägt in Oberbayern“, hatte Stoiber immer verkündet. Doch das hat jetzt schwere Herzrhythmus-Störungen – die bei der Wahl am 28. September zum Infarkt führen könnten.Die CSU Oberbayern stellt im Hofbräukeller ihre Landtagsliste auf – die Stimmung war mau
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Ein zwar unbeteiligter, aber argusäugiger Beobachter am Spielfeldrand im Hofbräukeller: CSU-Ehrenvorsitzender Edmund Stoiber.
dpa Ein zwar unbeteiligter, aber argusäugiger Beobachter am Spielfeldrand im Hofbräukeller: CSU-Ehrenvorsitzender Edmund Stoiber.

„Das Herz der CSU schlägt in Oberbayern“, hatte Stoiber immer verkündet. Doch das hat jetzt schwere Herzrhythmus-Störungen – die bei der Wahl am 28. September zum Infarkt führen könnten.Die CSU Oberbayern stellt im Hofbräukeller ihre Landtagsliste auf – die Stimmung war mau

MÜNCHEN Sonst ist sie abgebrüht, doch diesmal zeigt auch Monika Hohlmeier Nerven. Im grasgrünen Trachtenjanker steht sie im Hofbräukeller und wartet ab. „Ist das in Ordnung mit dir?“ stürzt Gabriele Bauer, die Oberbürgermeisterin von Rosenheim im geblümten Sommerkleid auf sie zu. „Wenn sie nicht unfair sind“, antwortet die Moni, „dann wählen sie die Liste so.“

Im Moment kann man sich in der CSU auf nicht viel verlassen. Nicht mal auf die Kleiderordnung. „Wir hatten doch abgesprochen, wir kommen alle im Dirndl“, motzt Sozialministerin Christa Stewens, die sich richtig aufgebrezelt hat, für den Parteitag der oberbayerischen Christsozialen.

Dort aber hatte an diesem Samstag niemand Bock auf Randale – und offensichtlich auch nicht auf die CSU. Wie bei einer Schülerversammlung gackern die rund 270 Delegierten untereinander, während die Parteioberen die Weichen für den Wahlkampf stellen. Nicht mal der Bezirksvorsitzende, der gelernte Volksschullehrer Siegfried Schneider, kann sie zur Ruhe bewegen. „Es ist schwer zu sprechen, wenn einem ein solcher Lärmwall entgegenbrandet“, bittet er um Disziplin. „Psssst“, zischt es immer wieder. „Hackrazackra. Is jetzt a Rua“, ruft ein Delegierte aus Eichstätt. „Das ist indiskutabel“, schimpft Landtagspräsident Alois Glück. Doch die Schwätzer lassen sich von niemand stören. Dabei hätten es mucksmäuschenstill sein müssen, damit alle die Töne genau hören. Wie versteinert sitzt Edmund Stoiber in der ersten Reihe, die Hände gefaltet, als wolle er stumm signalisieren: Da hilft nur noch beten!

„Das Herz der CSU schlägt in Oberbayern“, hatte er immer verkündet. Doch das hat jetzt schwere Herzrhythmus-Störungen – was bei der Wahl am 28. September zum Infarkt führen könnte. Schon bei der Kommunalwahl erlitt die CSU in ihrem Stammland zwischen Ingolstadt und Berchtesgaden einen Schwächeanfall.

Ein Drittel der Wähler, knapp drei Millionen, leben in Oberbayern, wo die Christsozialen den Grundstein für ihren Erfolg legten. Ein Drittel aller Landtagssitze ist hier zu holen. Wo einst der Mythos vom „Mir san Mir“ geboren wurde und alle CSU-Ämter in der Hand der Oberbayern waren, stellt sich jetzt die Frage: „San mir no wer?“

Die Vormachtstellung ist dahin: Der Parteichef Niederbayer. Der Ministerpräsident Franke. Der Chef der Landtagsfraktion Schwabe. Dazu ein Aderlass: Edmund Stoiber, Alois Glück, Kurt Faltlhauser, Otto Wiesheu – die alte Garde der Stimmen-Fänger tritt nicht mehr an. Bleiben nur noch zwei prominente Namen für die Liste: Thomas Goppel (61) und Monika Hohlmeier (45). Ausgerechnet der Abgemeierte, den sie beim Kampf um den Bezirksvorsitz abblitzen haben lassen. Und die geschasste Ministerin, die Parteifreunden mit Dossiers drohte und ihre eigene Wahrheit hat.

Nicht umsonst hatte Siegfried Schneider Stoiber bekniet, noch einmal auf der Oberbayern-Liste anzutreten. Der sagt im Hofbräukeller: „Es macht keinen Sinn, wieder mit einem halben Fuß ins Spielfeld zurückzugehen.“

Der Diskussionsbedarf im Saal ist hoch. Aber nicht über die Liste. Der Streit zwischen Hohlmeier und ihrem größten Widersacher, dem Münchner Landtagsabgeordneten Ludwig Spaenle, war schon auf höchster Ebene beigelegt worden. Die Strauß-Tochter rückte nach hinten auf Platz zehn, überließ Spaenle Platz neun. „Wir wissen doch, wer der politische Gegner ist. Der sitzt doch nicht in unseren Reihen“, versucht Schneider die Lärmwand zu durchbrechen. Abgestimmt wird nicht einzeln, sondern gesamt über die Listenplätze eins bis 15. Nur neun Delegierte sind dagegen. Hohlmeier ist erleichtert. Schneider fällt ein Stein vom Herz: „Super“. Manche in der CSU haben resigniert. Ein Spitzenmann: „Die Hohlmeier wird wieder Stimmkönigin, trotz allem, was sie sich geleistet hat.“ Dann hält er die Hand vor den Mund und flüstert: „Der Wähler ist halt einfach dumm.“

Angela Böhm

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