BND und NSA bespitzelten europäische Politiker
Über Jahre hat der Nachrichtendienst auf Bitten des US-Geheimdienstes zudem auch Unternehmen in Europa ausspioniert
Neuer Skandal um den Bundesnachrichtendienst: Der BND hat jahrelang dem US-Geheimdienst NSA geholfen, europäische Unternehmen und Politiker auszuspionieren. Das geht aus einem Bericht des „Spiegels“ hervor. Dem Kanzleramt sagte der deutsche Nachrichtendienst davon lange nichts. BND-Präsident Gerhard Schindler gerät damit unter erheblichen Druck. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Spionage-Skandal:
Wie hat der BND der NSA geholfen? Dem Bericht zufolge lieferte der US-Geheimdienst dem BND zehn Jahre lang sogenannte Selektoren, das können zum Beispiel IP-Adressen, E-Mail-Adressen oder Telefonnummern sein. Diese gab der BND in seine weltweiten Überwachungssysteme und Datenbanken ein, die Ergebnisse gingen wiederum zum Teil an die NSA.
Merkten die BND-Mitarbeitern denn nicht, dass sie ihr eigenes Land ausspionieren? Spätestens im Jahr 2008 ist seinigen Beamten aufgefallen, dass diverse Selektoren nichts mit seinem gesetzlichen Auftrag zu hatten und auch nicht vom sogenannten Memorandum of Agreement abgedeckt waren, auf dessen Basis die Bundesrepublik und die USA die gemeinsame Terrorbekämpfung betrieben. Es handelte sich stattdessen um Selektoren, die europäische Unternehmen wie EADS und Eurocopter, aber auch Politiker betrafen.
Warum wurde nichts unternommen? Und warum wurde das Kanzleramt nicht informiert? Gestoppt habe der Bundesnachrichtendienst die Spitzeleien nicht, weil er von Seiten der NSA ohnehin nur Ausreden erwartete. Stattdessen half der BND dem US-Geheimdienst wissentlich weiter zu spionieren, um wohl von den Erkenntnissen und der Hilfe der NSA nicht abgeschnitten zu werden.
Wie groß ist das Ausmaß der Bespitzelung? Laut „Spiegel“-Bericht hat eine Projektgruppe des BND aufgrund eines Beweisantrags der Bundestagsfraktionen untersucht, wie viele Selektoren gegen europäische und deutsche Interessen gerichtet waren. Das Ergebnis: Es waren bis zu 40 000. Insgesamt hat der amerikanische Geheimdienst den Deutschen rund 800 000 Selektoren geschickt. Mehrmals am Tag lade der BND von einem Server der NSA Selektoren herunter und gebe sie in seine Datenbanken und Systeme ein, hieß es dazu mal im NSA-Untersuchungsausschuss. Anschließend werden die Ergebnisse zur BND-Zentrale nach Pullach zur Auswertung geschickt und von dort aus zum Teil auch weiter an die NSA.
Wie geht es mit dem NSA-Untersuchungsausschuss weiter? Am Mittwochabend unterrichtete Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums und des NSA-Ausschusses über den Skandal. BND-Präsident Gerhard Schindler sei von der Sitzung explizit ausgeschlossen worden. Der neuerliche Skandal wird ihn möglicherweise den Posten kosten. Seine gestrige Sitzung hat der Ausschuss, der die NSA-Affäre aufklären soll, abgebrochen. Wie das Gremium weiterarbeiten soll und welche Zeugen in Zukunft vernommen werden, soll noch geklärt werden. wot