Aus Vier mach Jamaika: Ein Höllenritt

CSU-Chef Horst Seehofer ist doch immer wieder für eine Überraschung gut. Seinen Namen hört man häufig, wenn man Grüne nach dem größten Hindernis für eine Jamaika-Koalition fragt. Dass ausgerechnet er am Vorabend der ersten Sondierungsrunde in der Zentrale der Ökopartei vorbeigeschaute und sich zudem gestern mit FDP-Chef Christian Lindner getroffen hat, war klug.
Alles, was geeignet ist, um gegenseitige Ressentiments ab- und Vertrauen aufzubauen, ist in diesen Tagen hochwillkommen. Es wird schon schwer genug, für das ungewöhnliche Bündnis einen politischen Überbau zu schaffen, unter dem sich alle Partner wiederfinden. Die vier Parteien stehen unter enormem Druck. Nicht nur die Grünen, die ihre Basis schon nach der Sondierung fragen werden, ob sie in Koalitionsverhandlungen eintreten sollen.
Jeder fordert seine Trophäen ein
Dennoch zeichnet sich unabhängig vom typischen Theaterdonner und dem Ziehen von roten Linien ab: Die vier Parteien wollen zu einer Einigung finden. Ja, sie sind sogar zum Erfolg verdammt. An einer Neuwahl kann niemand interessiert sein. Denn die Bürger reagieren empfindlich, wenn die Politiker dabei versagen, aus einem Wahlergebnis etwas Vernünftiges zu machen.
Die Knackpunkte in Themenbereichen wie Klimaschutz, Energie und Landwirtschaft, Europa-, Außen- und Sicherheitspolitik sind bekannt. Am härtesten dürfte die Auseinandersetzung werden, wenn es um die Asylpolitik und die Flüchtlingsobergrenze geht. Jeder wird seine Trophäen einfordern. Es gibt allerdings nichts, was nicht mit Verantwortungsbewusstsein und gutem Willen zu lösen wäre. Beides scheint vorhanden zu sein.
Dennoch darf sich niemand Illusionen machen: Die Reise nach Jamaika wird eher ein Höllenritt als ein Spaziergang. Je präziser am Ende der Koalitionsvertrag ist, desto geringer das Konfliktpotenzial in einer schwarz-gelb-grünen Regierung.
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