Bündnis mit Trump: Was vom Nato-Gipfel zu erwarten ist

Der diesjährige Nato-Gipfel in Den Haag wird vermutlich als einer der kürzesten der vergangenen Jahrzehnte in die Geschichte eingehen. Nach dem Festessen am Dienstagabend steht bei dem Treffen heute nur noch eine einzige zweieinhalbstündige Arbeitssitzung auf dem Programm. Ziel ist es dabei vor allem, Donald Trump bei Laune zu halten, der als Präsident der mächtigsten Militärmacht der Welt am Ende des Tages über das Schicksal der Nato entscheidet.
Wird das gelingen? Nach der Einigung auf einen Text für die geplante Abschlusserklärung gab es bei vielen Bündnispartnern Zuversicht, dass ein ganz großes Debakel verhindert werden könnte. Folgende wichtige Themen werden nach dem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Dokument eine große Rolle spielen - einige andere aber auch nicht. Ein Überblick:
Fünf Prozent sind die neuen zwei Prozent
Unter dem Eindruck von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und extremem Druck von US-Präsident Donald Trump haben sich Deutschland und die anderen Bündnispartner bereits am Wochenende auf eine neue Zielvorgabe für die Höhe der nationalen Verteidigungsausgaben verständigt. In dem von allen 32 Alliierten angenommenen Entwurf für die Abschlusserklärung heißt es: Angesichts tiefgreifender Bedrohungen und Herausforderungen für die Sicherheit "verpflichten sich die Alliierten, bis spätestens 2035 jährlich 5 Prozent des BIP in grundlegende Verteidigungserfordernisse sowie in verteidigungs- und sicherheitsbezogene Ausgaben zu investieren (…)".
Ein Betrag von mindestens 3,5 Prozent des BIP soll dabei auf klassische Militärausgaben entfallen. Zudem werden zum Beispiel Ausgaben für die Terrorismusbekämpfung und militärisch nutzbare Infrastruktur angerechnet werden können. Das könnten etwa Investitionen in Bahnstrecken, panzertaugliche Brücken und erweiterte Häfen sein. Bis zuletzt war die Vorgabe der Nato, dass mindestens zwei Prozent investiert werden müssen.
Bekenntnis zu Artikel 5
Stehen die USA mit Trump als Präsident noch zur Beistandsverpflichtung nach Artikel 5 des Nato-Vertrags? Also zu der Vereinbarung, dass ein Bündnispartner im Fall eines Angriffs auf die Unterstützung der Alliierten zählen kann und ein Angriff auf ein Mitglied als ein Angriff auf alle gewertet wird? Äußerungen des Republikaners hatten daran in der Vergangenheit immer wieder Zweifel geweckt. Im Gegenzug für das Fünf-Prozent-Versprechen erwarten die Alliierten nun, dass so etwas nicht mehr vorkommt.
In der Gipfelerklärung soll es heißen: "Wir, die Staats- und Regierungschefs der Nordatlantischen Allianz, sind in Den Haag zusammengekommen, um unser Bekenntnis zur Nato – der stärksten Allianz der Geschichte – und zum transatlantischen Bündnis zu bekräftigen." Man bleibe geeint und entschlossen, die eine Milliarde Bürger in den Bündnisstaaten zu schützen.
Anhaltende Ungewissheit für Ukraine
Eine Hilfszusage im Umfang von 40 Milliarden Euro sowie das Versprechen, die Ukraine auf dem "unumkehrbaren Weg" zur Nato-Mitgliedschaft zu unterstützen: Beim Nato-Gipfel im vergangenen Jahr in Washington war Russlands Krieg gegen die Ukraine noch ganz klar eines der Topthemen. In diesem Jahr wird das wegen des Kurses von Trump anders sein. Bei der einzigen offiziellen Arbeitssitzung soll es in Abwesenheit des Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, um das Thema Verteidigungsausgaben gehen.
Anders als in den vergangenen Jahren wurde auf Ebene der Staats- und Regierungschefs auch keine Sitzung des Nato-Ukraine-Rates einberufen. Im Text für die Gipfelerklärung findet sich der vage Satz "Die Alliierten bekräftigen ihre dauerhaften souveränen Verpflichtungen zur Unterstützung der Ukraine, deren Sicherheit zu unserer eigenen beiträgt".
Als kleinen Erfolg kann Selenskyj verbuchen, dass schriftlich festgehalten werden soll, dass Nato-Staaten sich die militärische Unterstützung für sein Land auf ihre Verteidigungsausgaben anrechnen lassen können. Das wurde zuletzt auch schon so gehandhabt, die Ukraine befürchtete allerdings, dass sich das wegen der Politik Trumps ändern könnte.
Freihandel nur für Rüstungsgüter
Verstößt Trump mit seinen Zollentscheidungen zulasten von Alliierten gegen den Gründungsvertrag der Nato? In Artikel 2 heißt es dort, die Vertragsparteien "werden bestrebt sein, Gegensätze in ihrer internationalen Wirtschaftspolitik zu beseitigen und die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen einzelnen oder allen Parteien zu fördern". Im Text für die Gipfelerklärung wird jetzt zumindest festgehalten, dass der anhaltende Handelskonflikt keine negativen Auswirkungen auf die aktuellen Aufrüstungsbemühungen haben soll.
Ein Spanier als Gefahr?
Könnte der Gipfel doch noch in einem Debakel enden? Sorgen bereiteten vielen Teilnehmern zu Beginn öffentliche Äußerungen von Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez. Dieser ließ unter dem Druck linker Regierungspartner öffentlich verlauten, dass er das 5-Prozent-Ziel für sein Land als nicht bindend ansieht.
Nato-Generalsekretär Mark Rutte bemühte sich mit allen Kräften, dies nicht zu einem großen Thema für Trump werden zu lassen. In einem persönlichen Willkommensgruß an den Republikaner schrieb er, man habe "alle dazu gebracht, die 5-Prozent-Zusage zu unterzeichnen". Und mit Blick auf den Druck, den Trump bei diesem Thema gemacht hatte, ergänzte er: "Du wirst etwas erreichen, was kein amerikanischer Präsident seit Jahrzehnten geschafft hat."
Rutte spielte damit darauf an, dass sich schon Trumps Vorgänger Barack Obama und Joe Biden dafür eingesetzt hatten, dass die Europäer einen deutlich höheren Teil ihres Bruttoinlandsprodukts in Verteidigung investieren. Ihre Bemühungen hatten jedoch nur begrenzten Erfolg.
Wiedersehen in der Türkei
Öffentlich über ein mögliches Scheitern spekulieren will in der Nato kaum jemand. Stattdessen wird bereits langfristig für die nächsten Spitzentreffen geplant. Nach dem Text für die Abschlusserklärung soll der Gipfel im nächsten Jahr in der Türkei ausgerichtet werden, 2027 dann in Albanien.