Anwalt rät Diesel-Besitzern: Jetzt Hersteller verklagen!

In einem Gastbeitrag schreibt der Jurist Christian Achilles, dass für Diesel-Geschädigte die Rückgabe des Autos am besten ist – welche Gründe es dafür gibt.
Gastbeitrag: Christian Achilles |
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Jurist Christian Achilles rät in seinem Gastbeitrag Diesel-Geschädigten zur Rückgabe des Autos.
dpa/ho Jurist Christian Achilles rät in seinem Gastbeitrag Diesel-Geschädigten zur Rückgabe des Autos.

Christian Achilles Der 53-jährige Jurist arbeitet hauptberuflich als Leiter Kommunikation und Medien beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband in Berlin. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.

München - Mit einer Einigung im Dieselstreit will die Große Koalition Fahrverbote für Diesel in Innenstädten abwenden. Fahrzeughaltern von Euro4- und Euro5-Fahrzeugen sollen beim Tausch gegen ein Neufahrzeug oder ein saubereres Gebrauchtfahrzeug Umstiegsprämien der Hersteller angeboten werden. Darüber hinaus sollen bei Euro5-Fahrzeugen auch Hardware-Nachrüstung mit einem SCR-System angeboten werden. Damit soll der Stickoxidausstoß auf weniger als 270 mg/km reduziert werden.

Was auf den ersten Blick gut klingt, erweist sich bei näherem Hinsehen allerdings als nicht belastbar. Nicht nur, dass große Hersteller wie BMW und Opel Nachrüstungen eine Absage erteilt haben. Offen sind auch die Fragen, wie hoch netto die Rabatte wirklich sind, wer in welchem Umfang die Kosten von Nachrüstungen zu tragen hätte und welche Fahrzeuge dafür geeignet sind. Vor allem aber konzentrieren sich die Maßnahmen derzeit auf 14 hauptbetroffene Städte. Millionen direkt betroffene Diesel-Fahrer werden damit wohl diese Maßnahmen nicht nutzen können.

Betroffene haben ein wirksames Mittel in der Hand

Über die Diskussion um Umtauschprämien und Nachrüstungen gerät schnell aus dem Blickfeld, dass Betroffene ein viel wirksameres Mittel in der Hand haben, um gegenüber den Herstellern ihr Problem zu lösen: die Rückgabe des Fahrzeugs gegen Erstattung des Kaufpreises. Denn die meisten in Deutschland fahrenden Euro5-Diesel-Fahrzeuge erfüllen nicht die europäischen Abgasnormen von 180 mg/km Stickoxid, Euro6-Fahrzeuge nicht die von 80 mg/km. Das gilt auch für die mit SCR-Systemen ausgerüsteten Fahrzeuge, sogar nach durchgeführten Updates. Selbst mit Hardware-Nachrüstungen versehene Autos werden die Normen meist nicht einhalten. Mit anderen Worten: Auch wer sein Dieselfahrzeug nachrüsten lässt, fährt eine Dreckschleuder.

Das europäische Recht ist eindeutig: Nach Artikel 5 Absatz 1 der europäischen Emissions-Grundverordnung haben Hersteller Fahrzeuge so auszurüsten, dass diese unter normalen Betriebsbedingungen die Stickoxid-Grenzwerte einhalten. Die Gerichte urteilen inzwischen reihenweise, dass Durchschnittskäufer bei einem Autokauf erwarten können, dass die erworbenen Fahrzeuge die Abgaswerte nicht nur auf dem Prüfstand, sondern auch im Fahrbetrieb einhalten. Die meisten der in Deutschland fahrenden Euro5- und Euro6-Diesel sind damit im rechtlichen Sinne mangelhaft.

Nun dürfte für die meisten Dieselbesitzer eine Hürde darstellen, dass die Schadens- und Rückabwicklungsansprüche gegen die Vertragshändler verjährt sind. Das gilt aber nicht für Ansprüche aus Deliktsrecht. Sie können gegen Autohersteller und Tochterunternehmen geltend gemacht werden. VW wird wegen der gerichtsbekannten Manipulationen regelmäßig wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung auf Schadenersatz verurteilt.

Kein Grund zu warten

In einem von mir erstrittenen Urteil vor dem Landgericht Potsdam (11 O 408/17 vom 26. September 2018) heißt es, VW habe sich „objektiv sittenwidrig verhalten, indem sie das von dem Kläger erworbene Fahrzeug mit dem Motor und der Motorsteuerungssoftware ausstatten und ohne dies offenzulegen … in den Verkehr bringen ließ.“ Dabei habe VW eine Schädigung der Käufer von mit Dieselmotoren ausgestatteten Fahrzeugen „aus eigennützigen Motiven, nämlich bloßem Gewinnstreben, in sittlich anstößiger Weise billigend in Kauf genommen“.

Entsprechende Ansprüche aus Deliktsrecht können aber nur noch bis zum Jahresende 2018 durch Einreichung einer Klage beim zuständigen Landgericht geltend gemacht werden. Es liegt nahe, dass die Autohersteller versuchen werden, durch lange Diskussionen über einen Dieselkompromiss diesen Zeitpunkt unbeschadet zu erreichen. Angesichts der vielen Urteile, in denen Geschädigte obsiegt haben, übernehmen inzwischen Rechtsschutzversicherungen in aller Regel die Prozessrisiken. Da auch diese Klärung Zeit benötigt, gibt es für Geschädigte keinen Grund mehr zu warten. Ansprüche sollten mit anwaltlicher Hilfe jetzt geltend gemacht werden

Lesen Sie hier: Fragen und Antworten - Was bringt die neue Diesel-Formel 14 plus x?

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