Allles Gute, alter Rock?n?Roller!
Joschka Fischer wird 60. Rezzo Schlauch, der langjährige Weggefährte und ehemalige Vorsitzende der Grünenfraktion im Bundestag gratuliert zum Geburtstag.
Lieber Joschka,
Natürlich erinnerst Du Dich an unsere gemeinsamen Wurzeln im württembergischen Hohenlohe: Du kommst aus Langenburg oben auf der Höhe, ich aus dem 200-Seelen-Dorf Bächlingen unten im Tal. Du kamst sechs Monate nach mir zur Welt, am selben Ort, im Krankenhaus der Oberamtsstadt Gerabronn. Wir hatten dieselbe Hebamme, die Frau Schreyer.
Die ersten sieben Jahre Deines Lebens hast Du in Langenburg verbracht. Dein Vater hatte dort eine klasse Metzgerei, ich kaufe dort heute noch mein Fleisch und meine Wurst. Deine Eltern waren Vertriebene aus Donauschwaben. Als Katholiken hattet ihr es in dieser streng protestantischen Gegend sehr schwer. Auch wenn wir uns damals nicht bewusst gekannt haben, hatten wir mit Sicherheit Kontakt – nicht ganz gewaltfrei, wie es die grüne Gesinnung eigentlich vorsieht: Von Langenburg bis Bächlingen gab’s eine geile Schlittenbahn, die „Alte Steige“. Die war hochfrequentiert im Winter, vor allem nachts. Dort haben wir uns gekeilt, die Bächlinger Buben gegen Euch Langenburger Eindringlinge.
Dann bist Du weggezogen nach Stuttgart. Dort hast du das Gymnasium abgebrochen, eine Fotografenlehre begonnen. Irgendwann ist dir auch dieser Kessel zu eng geworden, dann hautest Du ab nach Frankfurt. In meinem Leben bist Du erstmals 1983 bewusst aufgetaucht, in Hagen, bei Deinem ersten Grünen- Parteitag. Damals war mir Dein Name schon ein Begriff, als Antipode zu Jutta Ditfurth, als Frankfurter Sponti im Dunstkreis von Dany Cohn-Bendit.
Das war der Beginn einer sehr engen politischen und persönlichen Beziehung zwischen uns. 1983 bist Du nach Bonn in den Bundestag, hast mit Gerhard Schröder in der Kneipe „Provinz“ Kabinettslisten aufgestellt. Das war die Zeit der Rotation und ähnlicher Kaspereien. Bei jedem Parteitag kriegten wir Realos eins auf die Mütze. Schließlich vergeigten wir die Wiedervereinigungswahl, flogen 1990 aus dem Bundestag.
Vor der Wahl 1994 bist Du als Minister zurückgetreten, wolltest die Grünen ins Parlament zurückführen – diesmal nicht als Selbsterfahrungstruppe, sondern mit Profis aus den Ländern. Ich hatte eigentlich keinen Bock auf Bonn. Aber dem Ruf des „Herrn“, Deinem Ruf, wollte ich mich nicht versagen. Wir hatten dann eine klasse Kampfesgemeinschaft: Du hast als „Live- Rock’n’Roller“ die Säle gerockt, ich war Vorgruppe. Nie werde ich Deinen Satz vergessen: „Was Du und der Fritz Kuhn zusammen sind, das bin ich alleine.“
1998 dann Rot-Grün: Du als Außenminister, ich als Fraktionschef. Du auf Deinem langen Lauf zu Dir selbst, ich als Lust-Jogger. Dass ich Deine Marionette gewesen sei, wie die Journalisten damals geschrieben haben, war totaler Schmarrn. Gerade am Anfang bist Du nur durch die Welt geflogen, hast Dich um die Fraktion überhaupt nicht gekümmert. Ich war der Prellbock. Nicht selten hast Du mich nachts rausgeklingelt und gesagt: „Schlauch, die Hütte brennt! Du musst zum Kanzler!“ Ich hab’ mir dann die Abreibung abgeholt.
Klar hab’ ich Dich auch kritisiert, aber unterm Strich hab’ ich Dich immer gut gefunden. Du warst auch die Garantie dafür, dass wir 2002 doch nochmal eine Mehrheit hinbekommen haben. Und im Gegensatz zu Stoiber oder Kohl ist Dir auch Dein Abgang aus der Politik sehr gut gelungen. Ich wünsche Dir für die Zukunft ein schaffensreiches, kreatives Leben. Außerdem wünsche ich Dir, dass es vielleicht eine Situation gibt, in der Du europäisch oder weltweit nochmal gebraucht wirst.
Dein Rezzo
Rezzo Schlauch arbeitet heute als Anwalt