Abschiebungen: Ernüchternde Zahlen für 2017

Bund und Länder mühen sich, mehr abgelehnte Asylbewerber in ihre Heimat abzuschieben – gelungen ist das bisher nicht. Ganz im Gegenteil
C. Jacke, M. Fischer |
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Clemens Hagen.
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Bund und Länder mühen sich, mehr abgelehnte Asylbewerber in ihre Heimat abzuschieben – gelungen ist das bisher nicht. Ganz im Gegenteil

München - Die Zahl der abgelehnten Asylbewerber, die zwangsweise oder freiwillig in ihre Heimat zurückkehren, ist gesunken – trotz aller Bemühungen von Bund und Ländern. Im laufenden Jahr gingen laut Bundesinnenministerium bis Ende November rund 27 900 Menschen mit Hilfe finanzieller Förderung freiwillig in ihre Heimat zurück. Das waren etwa 20 000 weniger als im gleichen Zeitraum 2016 (50 465). Die meisten Bundesländer schoben in diesem Jahr bislang auch weniger Menschen ab als 2016, wie eine Umfrage in den Innenministerien der Länder ergab. Das Innenministerium: Auch in Bayern sind die Zahlen leicht rückläufig.

Besonders deutlich war der Rückgang der Abschiebungen in Sachsen, wo sich diese Zahl in den elf Monaten 2017 gegenüber dem Vorjahreszeitraum halbierte. Nennenswert mehr Abschiebungen im Vergleich zum Vorjahr meldeten lediglich Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.

Schutzsuchenden, deren Asylantrag keinen Erfolg hat, droht eine Abschiebung – zumindest in der Theorie. Wer dem entgehen will, kann freiwillig ausreisen und dabei finanzielle Unterstützung bekommen. Der Begriff "freiwillig" ist daher eigentlich nicht ganz treffend.

Laut Bundesinnenministerium wurden von Januar bis Ende November knapp 22 200 Menschen aus Deutschland zwangsweise in ihre Heimatländer zurückgebracht. 2016 hatte es insgesamt knapp 25 400 Abschiebungen gegeben.

Damit ist der deutliche Anstieg der vergangenen Jahre gestoppt: Von 2014 auf 2015 hatten sich die Abschiebezahlen in etwa verdoppelt – auf mehr als 20 000; 2016 waren sie weiter gestiegen. Mit dem enormen Andrang von Schutzsuchenden 2015 und 2016 waren neben den Abschiebungen auch die Zahlen geförderter freiwilliger Ausreisen in großen Sprüngen nach oben gegangen (2014: 13 574, 2015: 35 514, 2016: 54 006). Nun also ein deutlicher Rückgang.

Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) sagte mit Blick auf den Abwärtstrend in seinem Land, 2016 habe es im Gegensatz zu 2017 viele Sammelabschiebungen gegeben, besonders in die Balkanstaaten. "Das war vor allem auch dank der Einstufung als sichere Herkunftsländer und der vielen Sammelcharter möglich." Er forderte eine solche Einstufung auch für die Maghrebstaaten. "Denn insbesondere in Sachsen leben viele abgelehnte Asylbewerber aus Tunesien, Marokko und Libyen."

Im Innenministerium in Bayern wurden die leicht rückläufigen Zahlen ebenfalls mit weniger Sammelabschiebungen begründet. Bei den freiwilligen Ausreisen ging es in Niedersachsen am stärksten bergab. Nach vorläufigen Berechnungen sank ihre Zahl um mehr als die Hälfte: von 10 570 – mit und ohne Förderung – im Jahr 2016 auf 3874 in den ersten zehn Monaten dieses Jahres. Als einziges Bundesland verzeichnete Mecklenburg-Vorpommern bei den Ausreisen einen nennenswerten Anstieg, wenn auch auf niedrigem Niveau. Bis Ende November hätten 480 Personen freiwillig das Küstenland verlassen, nach 410 im gesamten Vorjahr, teilte das Innenministerium in Schwerin mit. 


AZ-Kommentar: Sind sind ein Fakt

Clemens Hagen.
Clemens Hagen.

Clemens Hagen, der Politik-Vize der AZ, über die sinkenden Abschiebezahlen

Es sind Geschichten aus Absurdistan. Immer wenn deutschen Politikern nichts mehr einfällt, wedeln sie mit den Geldscheinen. Zuletzt hat Bundesinnenminister Thomas de Maizere – unter dem drängenden Motto "Dein Land. Deine Zukunft. Jetzt!" – eine Prämie ausgelobt, um abgelehnte Asylbewerber zur Rückkehr in ihre Heimatländer zu bewegen. 1000 Euro für Einzelpersonen, 3000 Euro für Familien. Dass viele Migranten auf das Geschäft einsteigen werden, ist zweifelhaft. Selbst in den entlegensten Winkeln der Erde kann man mit so wenig Geld nicht ewig (über)leben. Auch die neusten Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge lassen vermuten, dass der Wille zur Rückkehr bei den meisten Migranten nur schwach ausgeprägt ist. Was also tun? Die Politik sollte die Migranten endlich als das akzeptieren, was sie sind: ein Fakt! Es war eine große humanitäre Geste, ihnen in Deutschland Schutz zu gewähren, nun sollten wir ihnen schleunigst auch ein lebenswertes Leben ermöglichen. Nicht zuletzt auch aus Eigeninteresse.

 


Deggendorf: Protest gegen Unterkunft

Rund 200 Migranten aus dem afrikanischen Sierra Leone sind am Mittwoch aus Protest gegen ihre Abschiebung und gegen "schlechtes Essen" durch das niederbayerische Deggendorf gezogen. Hauptgrund waren die angeblich "miserablen" Bedingungen im Transitzentrum. Damit die Migranten nicht hungern mussten, wurden sie unterwegs mit Brezn und Süßigkeiten versorgt.

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