Wie schützt das Oktoberfest Frauen vor sexueller Gewalt?

Manche Dinge gehören zur Wiesn dazu: Bier, Dirndl - und sexuelle Übergriffe. Auch in diesem Jahr ist mit traurigen Statistiken zu rechnen. Doch es gibt auch einen Lichtblick.
Regina Wank, dpa |
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Will hier jemand seine Freundin filmen oder die Bilder im Internet hochladen? Das ist die Krux beim Teufelsrad (Archivbild).
Will hier jemand seine Freundin filmen oder die Bilder im Internet hochladen? Das ist die Krux beim Teufelsrad (Archivbild). © Leonie Asendorpf/dpa
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München

Wiesn, das ist Tradition, Fahrgeschäfte, gute Stimmung - aber auch Rausch, Gewalt und sexuelle Übergriffe. Die bayerische Polizei betont, dass sie in diesem Jahr ein besonderes Augenmerk auf Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung haben will. "Jede Belästigung und jede Tätlichkeit in diesem Bereich ist eine zu viel", betonte Polizei-Vizepräsident Christian Huber vor Beginn der Wiesn. Doch wie lässt sich das verhindern? 

Immer mehr Frauen und Mädchen suchen Hilfe

Die Zahlen derer, die am "Safe Space" auf dem Oktoberfest Hilfe suchen, etwa weil sie begrabscht oder bedrängt wurden oder einfach einen Moment der Ruhe brauchen, sprechen für sich. Wurden 2023 noch 320 Frauen und Mädchen registriert, waren es 2024 schon 352. Zu Beginn der Aktion im Jahr 2003 waren es 28. Seit Jahren steige die Zahl der Frauen, die auf der Wiesn Hilfe suchen, sagt Kristina Gottlöber vom Team "Sichere Wiesn für Mädchen und Frauen", das den Safe Space mitbetreibt.

Eskaliert die Gewalt gegen Frauen so sehr? "Wir glauben nicht, dass die Gewalt mehr wird. Sondern vielmehr, dass das Angebot bekannter geworden ist und den Frauen inzwischen stärker bewusst ist, dass sie sich Hilfe suchen dürfen und sich nicht alles gefallen lassen müssen", sagt Gottlöber. Während früher noch vermittelt worden sei, dass man nicht auf die Wiesn gehen dürfe, wenn man solche Übergriffe nicht abkönne, habe sich das Bewusstsein jetzt verändert. "Das ist ein gutes Zeichen, weil es einen gesellschaftlichen Wandel andeutet."

In den Zelten sind nicht nur die Gäste gefährdet

Auch in den Festzelten scheint sich das Bewusstsein zu schärfen, dass sexuelle Übergriffe verhindert werden müssen. Die Bedienungen auf der Wiesn stehen im Auge des Sturms, sind stundenlang umgeben von Betrunkenen und mitten in der enthemmten Stimmung des Bierzelts. Eine Umfrage, die im Rahmen einer Studienarbeit im vergangenen Jahr von der Hochschule München durchgeführt wurde, ergab, dass 76 Prozent der befragten Bedienungen bereits sexuelle Belästigung erlebt haben.

Belastbare Zahlen gibt es dazu nicht. Doch dass es nicht ganz problemlos ablaufen dürfte, darauf weisen verschiedene Aktionen in den Bierzelten hin: Seit vergangenem Jahr werden sogenannte Wendo-Kurse für die Bedienungen etwa im Schottenhamel-Zelt oder im Armbrustschützen-Zelt angeboten, die Frauen zur Selbstverteidigung und Selbstbehauptung befähigen sollen. Dieses Jahr habe es zwei Online-Kurse gegeben, die gut gebucht gewesen seien, erzählt Gottlöber. 

Damit Betroffene von Belästigung und Gewalt auch Hilfe rufen können, wird es in den Festzelten heuer erstmals Ladestellen für Handys mit leeren Akkus geben, teilte die Polizei mit. Zudem haben verschiedene Zelte - neben Schottenhamel und Armbrustschützenzelt auch das Hofbräu Festzelt und die Ochsenbraterei - sogenannte Safe-Now-Zonen eingerichtet. Mit der dazugehörigen App soll man unauffällig und direkt Hilfe rufen können. Der Sicherheitsdienst erhält dann eine Benachrichtigung und kommt den Angaben zufolge direkt zum Hilfesuchenden.

Fahrgeschäfte ergreifen Maßnahmen - reicht das?

Doch nicht nur in den Zelten, auch draußen werden Frauen oft nicht in Ruhe gelassen. Ein klassischer Ort dafür ist das traditionsreiche "Teufelsrad" - zum Leidwesen der Betreiberin. Das "Teufelsrad" ist einer der ältesten und beliebtesten Attraktionen auf dem Oktoberfest. Man muss sich an einer drehenden Scheibe möglichst lang festhalten. Wer runter fällt, ist ausgeschieden. Dabei kann dann auch das Dirndl hochrutschen. 

Immer wieder wird dabei Frauen heimlich unter den Rock gefilmt. Das sogenannte Upskirting ist seit 2021 strafbar und kann mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren geahndet werden. "Wir versuchen von unserer Seite alles, damit das nicht wieder passiert", sagte die Betreiberin des "Teufelsrads", Elisabeth Polaczy, der Deutschen Presse-Agentur. 

Upskirting ist Polaczy zufolge erst seit dem vergangenen Jahr Thema. "Man kennt das Teufelsrad und weiß, dass der Rock hochfliegen wird. Ich finde es schade, dass es so verrückte Menschen gibt, die das filmen und hochladen."

Sie habe in Absprache mit der Stadt überall Aushänge mit den geltenden Vorschriften am Kassenhaus angebracht, die Attraktion selbst sei komplett mit Kameras ausgestattet, auf denen man Vorgänge nachvollziehen könne. Ihre Mitarbeiter seien sensibilisiert, um zu erkennen, wann jemand unerlaubt filme. Sie hätten auch schon Männer rausgeschmissen. Polaczy bietet Frauen außerdem Radlerhosen an, die diese sich unter den Rock anziehen können. Aber das Problem bleibt: "Ich kann ja nicht allen die Handys abnehmen und das Filmen verbieten", sagt Polaczy. 

Zivilcourage und Alkohol: Eine schwierige Mischung

Bei allen Maßnahmen und verändertem Bewusstsein darf man aber eines nicht vergessen: Die Dunkelziffer ist nach wie vor hoch. Viele Sexualdelikte werden nicht zur Anzeige gebracht. 

Expertin Gottlöber sagt außerdem: Sexuelle Gewalt werde immer noch zu schnell entschuldigt, wenn sie unter Alkoholeinfluss geschehe - wogegen Frauen, die betrunken seien, immer eine Mitverantwortung gegeben werde. "Wir brauchen mehr Zivilcourage, etwa dass man Tätern die Solidarität entzieht und einschreitet - auch wenn es der beste Kumpel ist, der sich übergriffig verhält."

Hinweis: Diese Meldung ist Teil eines automatisierten Angebots der nach strengen journalistischen Regeln arbeitenden Deutschen Presse-Agentur (dpa). Sie wird von der AZ-Onlineredaktion nicht bearbeitet oder geprüft. Fragen und Hinweise bitte an feedback@az-muenchen.de

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