"Was will ich verändern?": Wie eine japanische Methode bei neuen Gewohnheiten helfen soll
München - Mehr Sport, gesündere Ernährung, weniger Alkohol, mehr Zeit fürs Wesentliche. Ein neues Jahr hat begonnen und damit für viele der Versuch, das eigene Leben in eine positivere Richtung zu lenken. Die Motivation ist groß, in den ersten Wochen klappt die Umsetzung, doch sobald man es schleifen lässt, ist das Ende absehbar. Die guten Vorsätze sind dahin. Was bleibt, ist der Frust über das eigene Scheitern.
Warum gelingt es nicht, neue Gewohnheiten auf Dauer zu etablieren? Weil uns radikale Veränderungen Angst machen, schreibt der Psychologe Robert Maurer in seinem Buch "Wie ein kleiner Schritt Ihr Leben verändert". Ein anderer, sanfterer Weg, sein Leben nachhaltig zu verändern, heißt Kaizen.
Kaizen kommt aus dem Japanischen und bedeutet "Veränderung zum Besseren". Die Idee dahinter stammt ursprünglich aus den Vereinigten Staaten und wurde im Zweiten Weltkrieg als Managementtechnik entwickelt, um in Unternehmen Arbeitsprozesse zu optimieren. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verhalf die Methode Japan zum Wirtschaftswachstum. Von da an verbreitete sie sich unter dem Namen Kaizen auch im Westen - nicht nur als Arbeits-, sondern auch als Lebensphilosophie, bei der es um kontinuierliche Verbesserung geht.
Abnehmen und Sport machen: Rückfälle gehen schnell
"Wenn Menschen versuchen, negative Gewohnheiten abzulegen, ist eine der größten Herausforderungen dabei die Gefahr, dass sie anfangs Erfolg haben, dann aber einen Rückfall erleiden", schreibt Maurer. Dasselbe gilt, wenn wir uns neue Gewohnheiten aneignen wollen. Früher oder später fallen wir in alte Muster zurück und ziehen die Couch der Joggingrunde im Park vor.
Das Problem liegt in der Art und Weise, wie wir es angehen. Denn radikale Veränderungen lösen Ängste aus. Stehen wir vor neuen Herausforderungen, werden Stresshormone ausgeschüttet. Alles Neue und Unbekannte ist erstmal potenziell gefährlich. Wir reagieren mit Widerstand, obwohl der Verstand eigentlich weiß, dass uns die Veränderung guttun würde.
Japanische Methode Kaizen: Lieber kleine Schritte machen
Diese Angst kann mithilfe von Kaizen umgangen werden. Mit kleinen Schritten, die den Alltag nicht wesentlich beeinflussen, gewöhnen wir uns an die Veränderung. Der Wandel geschieht langsam, aber stetig und nachhaltig. Man kommt seinem Ziel Stück für Stück näher, anstatt immer wieder neu anzufangen.
Wie geht man die Veränderung am besten an? Zunächst ganz simpel mit Zettel und Stift und der Frage "Was will ich verändern?". Teilen Sie Ihre Veränderungswünsche in verschiedene Bereiche ein. Diese können sein: Gesundheit, Beruf, Geld, Wohnen, Beziehungen, Hobbys. Den Bereich Gesundheit können Sie noch mal unterteilen in Ernährung, Sport, Schlaf.
Wählen Sie nun ein Thema aus, mit dem Sie anfangen möchten. Überlegen Sie sich, welches konkrete Ziel Sie langfristig erreichen und bis wann Sie dieses erreicht haben möchten. Planen Sie die Umsetzung in möglichst kleinen Schritten, die Sie leicht in Ihren Alltag integrieren können. Stellen Sie sich etwa Fragen wie "Wie könnte ich ein paar Minuten Sport in meinen Alltag einbauen?", "Wie könnte ich mich daran erinnern, mehr Wasser zu trinken?", "Was könnte ich tun, um mehr Gemüse zu essen?"
Was kann an einem Tag erreicht werden?
Oder ganz allgemein: "Welchen kleinen Schritt könnte ich jeden Tag machen, um mein Ziel zu erreichen?" Wenn Sie nicht sofort eine Antwort parat haben – kein Problem. Wiederholen Sie die Frage – das regt die Kreativität an – bis Ihnen eine Lösung einfällt. Der erste Schritt sollte so winzig sein, dass Sie sich sicher sind, ihn jeden Tag ausführen zu können. Auch wenn Sie nur eine Minute am Tag dafür aufwenden, ist das vollkommen in Ordnung. Hauptsache, Sie machen es jeden einzelnen Tag.
Sie können auch neue Verhaltensweisen mit alten Routinen verbinden. Zum Beispiel ein Glas Wasser trinken, während die Kaffeemaschine läuft, oder die Werbepause einer Fernsehsendung für ein paar Dehnübungen nutzen. Oberstes Gebot: Nehmen Sie sich nicht zu viel auf einmal vor. Als letzten Punkt Ihrer Vorbereitung entscheiden Sie, wann die beste Zeit ist, die neue Gewohnheit in Ihren Tagesablauf einzubauen; morgens nach dem Aufstehen, direkt nach der Arbeit, abends vorm Schlafengehen.
Wenn ein Post-It hilft!
Nach dieser Vorarbeit können Sie mit der Umsetzung beginnen. Am Anfang helfen kleine Erinnerungen, an die neue Gewohnheit zu denken. Das kann ein Zettel sein, den Sie an den Badspiegel kleben, die Laufkleidung, die Sie schon am Abend zuvor rauslegen, oder ein Wecker, der Sie ans Trinken erinnert. Bevor es an den nächsten Schritt geht, sollte der erste zu einer festen Gewohnheit geworden sein. Das ist dann der Fall, wenn Sie ihn automatisch und ohne groß darüber nachzudenken machen. Das Verändern von Verhaltensweisen braucht eine gewisse Zeit, die zwischen wenigen Wochen und mehreren Monaten variieren kann.
Wenn Sie soweit sind, gehen Sie den zweiten Schritt oder erweitern Sie den ersten, indem Sie Ihre neue Gewohnheit länger oder öfter durchführen. Wenn Sie merken, dass Sie sich davor drücken, sollten Sie einen Gang runter schalten und den Schritt verkleinern. Maurer empfiehlt in seinem Buch kleine Belohnungen, um am Ball zu bleiben.
Wenn Sie Ihre neue Routine eine Woche am Stück durchgezogen haben, gönnen Sie sich Ihre Lieblingsschokolade oder ein heißes Bad. Halten Sie Ihre Fortschritte in einem Tagebuch, Kalender oder Notizbuch fest. Schreiben Sie täglich oder wöchentlich auf, was Sie erreicht haben. Das steigert die Motivation und hilft dabei, Ihre Ergebnisse nach ein paar Wochen zu überprüfen.
Erfolge dokumentieren
Dann können Sie sich fragen, ob die Umsetzung funktioniert hat und ob Ihre Strategie funktioniert. Falls nicht, denken Sie darüber nach, woran es gelegen haben könnte. Haben Sie Ihr Ziel zu hoch gesteckt oder funktioniert die Strategie nicht? Verkleinern Sie die Schritte oder verringern Sie die dafür eingeplante Zeit. Probieren Sie eine andere Strategie aus.
Wenn Sie mit dem Ergebnis zufrieden sind, halten Sie fest, welcher Weg für Sie funktioniert. Das ist gut zu wissen für künftige Veränderungen. Nun können Sie planen, was Sie als Nächstes angehen möchten. Auf diese Weise lässt sich Kaizen auf alle Bereiche des Lebens anwenden. Die Methode versteht sich als lebensbegleitender Prozess – und das Leben bietet bekanntlich viele Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln.
Und wenn es doch mal nicht klappt und Sie aus der neuen Routine wieder herausfallen? Rückschläge sind normal. Wenn etwas Unvorhergesehenes eintritt, kann es schnell passieren, dass die neu gewonnenen Verhaltensweisen in den Hintergrund treten und vernachlässigt werden. Sobald Sie wieder in Ihren geregelten Alltag zurückkehren, suchen Sie wieder Anschluss an Ihre neue Gewohnheit - und zwar wieder mit möglichst kleinen Schritten.
- Themen: