Tauchen, Tiefe, Leidenschaft: Neuer Bildband zeigt Leben unter Wasser
Sie ist farbenfroh und andernorts finster, Lebensraum und Todeszone, Kinderstube und Kampfgebiet: die Welt unter Wasser - eine Sphäre, die der Fotograf und Ozeanologe Uli Kunz seit Jahrzehnten erforscht und dokumentiert. In dem faszinierenden Bildband "Leidenschaft Ozean. Expeditionen in die Tiefe" erzählt er davon, in Bildern und fesselnden Texten.
Wenn der Fotograf in völliger Finsternis auf einem Felsplateau schläft
Zum Beispiel von einer Wohngemeinschaft unter äußerst widrigen Bedingungen: Eine Kolonie winziger Flohkrebse (deren Körpertemperatur knapp unter dem Gefrierpunkt liegt) hat sich in den Spalten eines Eisbergs vor der Küste Grönlands eingerichtet, verliert ihr Zuhause jedoch, wenn der gefrorene Koloss im Sommer erst freischmilzt - und dann ganz vergeht.
Extrem unwirtlich erscheint auch die Expedition zur Erkundung des Ouyssee im Süden Frankreichs: Mehrere Tage verbringt der Fotograf als Mitglied eines Forschungsteams im unterirdischen Flusslauf.

Anfangs tauchend, dann durch Höhlen kletternd, erneut unter Wasser schwimmend, schließlich in völliger Finsternis auf einem Felsplateau schlafend - und dann alles wieder retour.
Skelette von 125 Menschen entdeckt
Ebenfalls nichts für schwache Nerven - aber eine historische Sensation: In Yucatán (Mexiko) lassen sich Kunz und Co. in eine Cenote sinken, eine Art Wasserbassin unter dem Erdboden.
An den steilen Hängen stoßen sie auf die Skelette von 125 Menschen. Später wird sich herausstellen, dass sie vor 1.800 Jahren gestorben sind und damit in der frühklassischen Periode der Maya gelebt haben. In einem - heute gefluteten Höhlengang - finden die Taucher etwas noch Spektakuläreres: eine Feuerstelle. Ein Labor analysiert, dass die verwendete Holzkohle vor 9.000 Jahren erloschen ist. Was für eine Zeitreise!
Praktizierter Umweltschutz: Das Surfer-Quartett der "Moorea Coral Gardeners"
Doch stopp: Dieses Buch ist keinesfalls düster und beschäftigt sich auch nicht ausschließlich mit der Vergangenheit. Im Gegenteil. Uli Kunz gibt auch einer Clique von Teenagern auf Tahiti ein Gesicht, die Korallen "aufforstet" (wobei das eigentlich der falsche Begriff ist, es handelt sich ja um Tiere): Das jugendliche Surfer-Quartett der "Moorea Coral Gardeners" sammelt abgebrochene Korallenstücke im Riff, päppelt sie in einem Unterwasser-Gewächshaus wieder auf und klebt sie dann wieder am Riff fest, um so dessen Vielfalt zu erhalten.
Überhaupt geht es in dem Buch viel um den bislang völlig unzureichenden Schutz der Meere. Kunz hält mit der Kamera fest, wie viel Leben entstanden ist, seitdem Greenpeace vor rund zehn Jahren auf die Idee kam, Findlinge in der Nordsee zu versenken, um die Schleppnetze der Großfischerei zu zerreißen: An den Steinen herrscht heute ein wahrer Artenreichtum.
Brutfelsen in der Nordsee: Kein Nest mehr ohne Plastikteilchen
Und der Meeresbiologe kämpft mit seiner Forschungstauchgruppe "Submaris" auch selbst für den Schutz der Ozeane, wobei es unter anderem um Plastikmüll geht. In seinem Buch erzählt er davon, wie präsent Kunststoffpartikel in den Weltmeeren mittlerweile sind: Abgesehen von den Zehntausenden Tieren, die daran verenden, hat Greenpeace an einem Brutfelsen in der Nordsee festgestellt, dass kein einziges Nest mehr ohne Plastikteilchen - meist von sogenannten Geisternetzen - gebaut war.

Uli Kunz und seine Mitstreiter versuchen daher, so viele dieser abgerissenen Fischernetze zu orten und bergen zu lassen (was aufwendig und teuer ist). "Aber wenigstens", schreibt er, tötet ein Geisternetz an Land keine Tiere mehr. Das ist doch eine gute Nachricht." Und dies ist ein sehr gutes Buch - keinesfalls nur für Taucher.
"Leidenschaft Ozean. Expeditionen in die Tiefe" (240 Seiten) von Uli Kunz ist bei Knesebeck erschienen und kostet 35 Euro.
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