Steuerberater gesteht Tötung von Finanzbeamten
Kiel -Unter Blitzlichtgewitter schiebt ein Justizbeamter den im Rollstuhl sitzenden Steuerberater an die Anklagebank des Kieler Landgerichts. Auf dem Schoß hat der 55-Jährige eine große Papiertüte. Demonstrativ breitet er vor laufenden Kameras den Inhalt vor sich aus: «Die heilige Schrift», Franz Kafkas «Der ganze Prozess», das Foto seines weißen Labradors und auch zwei Packungen Taschentücher. Alle Augen im Schwurgerichtssaal sind am Mittwoch auf den Mann gerichtet, der am 1. September 2014 im Rendsburger Finanzamt - ebenfalls im Rollstuhl sitzend - einen 57 Jahre alten Abteilungsleiter mit drei Schüssen getötet haben soll. Laut Staatsanwalt Achim Hackethal ein heimtückischer Mord.
Ein handschriftlicher Zettel des Angeklagten entpuppt sich erst nach zweieinviertel Stunden als das Geständnis, auf das alle nach vorheriger Ankündigung des Verteidigers warten. «Ich habe diesen Mann offensichtlich erschossen, kann mich an die Tat aber offensichtlich nicht erinnern», sagt der frühere Bürgermeister-Kandidat aus Fockbek bei Rendsburg (Schleswig-Holstein). Er habe unter Medikamenten-Einfluss die Kontrolle verloren. Seit dem elften Lebensjahr leidet er an einer rheumatischen Erkrankung.
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Dem tragischen Geschehen im Büro des Finanzbeamten gingen lange Spannungen zwischen dem Steuerberater und der Behörde voraus. Der Angeklagte fühlte sich von den Beamten drangsaliert. «Ich gehe davon aus, dass ich denen viel Arbeit beschert habe durch viele eingereichte Einsprüche», sagt der massige Mann. Deshalb sei er für die Behörden ein Ärgernis gewesen. Das spätere Opfer «wollte mich wohl zur Brust nehmen».
Kunden hätten ihm berichtet, ihnen seien Repressalien angedroht worden, falls sie seine Mandanten bleiben. «Seit 20 Jahren versuche ich, als schwerbehinderter Steuerberater durchzukommen.» In seiner Aussage schwingt Selbstmitleid mit, auch als er schildert, wie Polizisten den bewaffneten Mann nach der Tat zu Boden warfen. Er sei in etlichen Vereinen, um Mandate zu gewinnen, sei Laienschauspieler an der niederdeutschen Bühne und habe sogar mehrere Hauptrollen übernommen.
Kurz vor der Tat habe ihm eine weitere wichtige Mandantin gekündigt - wiederum auf Druck des Finanzamts, sagt der Steuerberater. Deshalb sei er sehr aufgewühlt gewesen und habe nur in seinem Rollstuhl geschlafen.
Seine Pistole vom Typ Beretta, die er zu seinem Schutz immer im Büro bei sich habe, nahm der Besitzer eines Jagdscheins und mehrerer Gewehre angeblich unabsichtlich mit zum Treffen ins Finanzamt. Dort wartete der Angeklagte auf den Beamten, der ihn zu einem «Klimagespräch» einbestellt hatte. «Der hat mich noch freundlich begrüßt», sagt er. Dann habe er ihn beleidigt und lächerlich gemacht. «Auf jeden Fall hat er bei mir wohl einen Punkt getroffen, wo alles über mir zusammengebrochen ist.» Danach wisse er nichts mehr.
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Laut Gericht hatte er jedoch bereits vor der Tat seiner Frau geschrieben: «Ich werde diesem Drama ein Ende setzen. Er wird keine Chance haben, davonzukommen.» Der Beamte sei ein «wirklich ein böser Mensch und hat es verdient».
Der Angeklagte sitzt im Gerichtssaal der Opfer-Witwe gegenüber. Bei der Nebenklägerin entschuldigt er sich für «eine Tat, die durch nichts zu rechtfertigen ist». Er erwägt, sich im Gefängnis zum Prediger ausbilden zu lassen und träumt sogar von einer eigenen Pfarrei. Ein Urteil wird am 30. März erwartet.
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