"Spar' dir das Hotel": Zu Gast bei Fremden
Urlaub mal ganz anders: Auf couchsurfing.org bieten Privatleute Reisenden einen Schlafplatz an - die Couch eines Fremden. Die AZ hat diesen Gratisservice einmal ausprobiert.
Gespannt klicke ich durch die Profile potenzieller Gastgeber. Ich reise nach Zypern, nur die Unterkunft fehlt noch. Und das Budget ist knapp.
Auf der Internetseite couchsurfing.org stellen Menschen aus der ganzen Welt ihre freien Sofas und Betten als Schlafplatz für Reisende zur Verfügung – gratis. Das Netzwerk verbindet Millionen Mitglieder in über 230 Ländern. Jetzt bin ich ein Teil davon. Das Prinzip der Website basiert auf Geben und Nehmen: Wer wie ich kein Sofa hat, bietet sich als Reiseführer oder schlicht seine Gesellschaft an.
Der Großteil der Couchsurfer aus Zypern ist männlich. Warten die alle auf williges Frischfleisch, das sie auf ihrer Couch vernaschen können? „Couchsurfing is not a dating site“, heißt es ausdrücklich in den Geschäftsbedingungen. Und wenn doch mal ein Psychopat dabei ist?
Sicherheit soll ein Verifikationssystem bieten, durch das Couchsurfer den Website-Betreibern ihre Adresse bestätigen können. Außerdem werden die Gastgeber von ihren Gästen bewertet. Ich schreibe „Leonidas“ eine Nachricht und frage, ob ich meine Nacht in der Hauptstadt Nikosia bei ihm verbringen darf.
Leonidas hat sich auf seinem Profil ausführlich beschrieben, seine Interessen ausgefüllt, sieht auf den Fotos sympathisch aus und hat viele positive Referenzen von anderen Couchsurfern. „Natürlich kannst du bei mir schlafen!“, schreibt er. Als ich ein paar Wochen später vor seiner Haustür aufkreuze, öffnet mir sein Vater – Leonidas wohnt bei seinen Eltern. Die ganze Familie freut sich ehrlich über meinen Besuch.
Leonidas bietet viel mehr als nur eine Gratis-Übernachtung. Er macht mir zur Begrüßung einen traditionellen Kaffee Frappe, wir ziehen mit seinen Freunden durch die Bars von Nikosia, seine Familie kocht für uns. Ich erzähle vom Leben in München, er zeigt mir das Leben auf Zypern.
Leonidas schläft im Wohnzimmer und gibt mir sein Bett, weil sein Zimmer mit einer Klimaanlage ausgerüstet ist. „Bleib’ doch länger“, sagt die Familie, aber meine Reise führt weiter nach Kyrenia.
Hier verbringe ich fünf Tage – ich habe ein billiges Hotel gebucht und einen Couchsurfer gefragt, ob er mir den Ort zeigt. Fünf Nächte bei einem Fremden, das war mir zu heikel. Was, wenn wir uns nicht verstehen?
Zum Abendessen lädt mich Couchsurfer Murat in ein Lokal am Strand ein, Fisch frisch aus dem Meer. „Was willst du sehen?“, fragt er und verspricht, mir alles zu zeigen – wir kommen gut miteinander aus, ich bin erleichtert.
Mein Hotel hat keine Klimaanlage, der Ventilator ist kaputt und um sechs Uhr morgens singt mir der Imam aus der Moschee nebenan ins Ohr.
„Spar’ dir das Hotel“, sagt Murat. Er hat ein Gästezimmer und seine Wohnanlage einen Pool. Ich bin überzeugt. Die nächsten Tage fährt er mit mir zu den schönsten Burgen und Stränden der Insel, grillt mir Halloumi-Käse zum Frühstück und behandelt mich, als hätte er mich ganz persönlich auf seine Insel eingeladen.
Jetzt kenne ich nicht nur die schönsten Strände und besten Lokale der Insel, sondern auch die Menschen. Einblicke, die ich in einem Hotel-Urlaub so nicht gewonnen hätte. Auf Couchsurfing.org schreibe ich darüber – und werde im September selbst zum Gastgeber: Dann kommt Murat zur Wiesn.
Laura Kaufmann
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