Organspendeskandal gefährdet Spendebereitschaft
Wenige Monate vor dem Start der große angelegten Werbe-Aktion für mehr Organspenden führt der Transplantationsskandal laut einer Umfrage zu einem Einbruch der Spendebereitschaft.
Berlin - Fast jeder zweite Bundesbürger (45 Prozent) hat Bedenken, sich als Organspender zur Verfügung zu stellen. 42 Prozent teilen die Bedenken nicht, wie aus der Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Nachrichtenagentur dpa hervorgeht. 36 Prozent haben derzeit nicht vor, ihre Bereitschaft zur Organspende zu bekunden. Nur noch 30 Prozent haben dies vor.
In Befragungen anderer Institute vor wenigen Monaten hatten rund zwei Drittel angegeben, dass sie sich prinzipiell vorstellen könnten, ein Organ zu spenden. Nur rund ein Fünftel (21 Prozent) wollte laut einer Forsa-Umfrage vom März keine Organentnahme nach dem Tod.
Die jüngsten Ankündigungen von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken zielen darauf ab, Vertrauen wiederzugewinnen. In Göttingen und Regensburg wurden Patientendaten manipuliert. Nach Bekanntwerden des Falls entbrannte eine Debatte über die Organvergabe. Nun sollen Kontrollen und Transparenz Manipulationen verhindern.
In der dpa-Umfrage geben 14 Prozent an, bereits einen Ausweis zur Organspende zu haben. Jeder fünfte weiß noch nicht, ob er sich bereiterklärt, oder macht keine Angaben. Die Krankenkassen wollen ab Herbst Millionen von Briefen verschicken - die Aktion zielt darauf ab, die Spendebereitschaft deutlich zu erhöhen. Sie geht auf die Organspendereform zurück, die im Mai im Bundestag beschlossen wurde.
Die Grünen-Gesundheitsexpertin Elisabeth Scharfenberg erwartet keine schnellen Erfolge für die Werbungsaktion. "Die, die noch unentschlossen sind, werden zurückhaltend reagieren", sagte sie der dpa. "Die Entscheidungslösung sollte mit der Brechstange durchgesetzt werden", kritisierte sie. "Besser wäre es gewesen, wenn wir uns vorher gründlich die Strukturen angeschaut hätten."
Vor dem Hintergrund der bekanntgewordenen Unregelmäßigkeiten glauben 69 Prozent der Bundesbürger der Umfrage zufolge, dass man in Deutschland mit viel Geld ein Spenderorgan wie Leber, Niere, Lunge oder Herz legal kaufen kann oder dies schneller bekommt. 19 Prozent glauben das nicht. 46 Prozent meinen, dass potenzielle Spender Nachteile haben könnten, weil Organe zu früh entnommen werden - 37 Prozent glauben dies nicht.
Günter Kirste, medizinischer Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation, warnte vor einer Verallgemeinerung der Vorfälle in Göttingen und Regensburg. "Wir haben keinen Organspende-Skandal. Wir haben den Skandal eines einzelnen Menschen, der an zwei Kliniken agiert hat", sagte er in der ARD-Sendung "Beckmann". Rund 12 000 Menschen warten auf ein Spenderorgan, etwa 8000 von ihnen brauchen eine Niere.
Der Geschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Georg Baum, kündigte eine rasche Umsetzung strengerer Regeln an. "Ich gehe davon aus, dass sich die Zentren schon ab jetzt auf die angekündigten Maßnahmen einstellen und sie umsetzen", sagte er der "Rheinischen Post" (Freitag). "Wir werden das Vertrauen der Bevölkerung in die Organspende wieder herstellen können. Künftig werden Manipulationen schneller auffallen."
Die AOK forderte harte Konsequenzen für Kliniken, in denen es Unregelmäßigkeiten bei Transplantationen gegeben hat. "In Zukunft muss es möglich sein, dass Kliniken, in denen es Verstöße gibt, die Erlaubnis für Transplantationen entzogen wird", sagte der Vorstand des AOK-Bundesverbands, Uwe Deh, der "Berliner Zeitung" (Freitag). Die Linke-Expertin Kathrin Vogler kritisierte die Ankündigungen schärferer Kontrollen durch die Ärzteschaft angesichts langen Schweigens als unglaubwürdig.