Notärztin gesteht: "Ja, ich habe Angst im Einsatz"
München - Ärzte leiden zunehmend unter Übergriffen von aggressiven Patienten. Die AZ hat mit einer Betroffenen über das Phänomen gesprochen. Melanie Rubenbauer aus Bayreuth ist Vorstandsmitglied der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK) und stellvertretende Landesvorsitzende des Marburger Bundes Bayern.
AZ: Frau Rubenbauer, Gewalt gegen Ärzte nimmt immer mehr zu. Auch in Bayern?
DR. Melanie Rubenbauer: Das kann ich auf jeden Fall auch für Bayern bestätigen. Es gibt hier zwar keine aktuellen Zahlen, aber ich kenne keinen Kollegen, der nicht schon mehr oder minder schwer körperlich bedroht wurde.
Keinen Einzigen?
Nein. Es ist nicht so, dass das täglich vorkommt. Aber jeder, der einmal in der Notaufnahme gearbeitet hat, kennt es, dass ein Patient austickt, dass er irgendetwas nicht will. Auch wenn es nur verbale Gewalt ist, die dem Arzt dann an den Kopf geworfen wird.
Haben Sie so etwas selbst auch schon erlebt?
Ja. Verbale Gewalt definitiv. Auch körperliche Gewalt wurde mir schon angedroht, aber es kam nicht soweit. Die Polizei war vorher da.
Was genau hat Ihnen der Patient denn angedroht?
Auf gut Bayerisch: a Watschn.
Nicht immer bleibt es bei der Drohung. Welcher Fall von Gewalt gegen Ärzte hat Sie besonders erschüttert?
Der schlimmste Fall ist der einer Kollegin. Sie war routinemäßig als Notärztin in Bayreuth unterwegs und ist aus dem Nichts von einem Patienten mit einem Messer angegriffen worden. Sie hat bleibende Schäden davongetragen.
Welche Situationen sind es, die so eskalieren können?
Meist ist es ein Zusammenspiel, dass die Patienten irgendeine Intoxikation haben, und zum Beispiel auf der Straße liegend vorgefunden werden, oder sie gestürzt sind, und die Wunden versorgt werden müssen. Oft müssen sie auch zur Überwachung aufgenommen werden oder müssten noch in der Klinik bleiben. Das wollen sie nicht und wehren sich entsprechend dagegen. Die Gewalt dieser Personen richtet sich gegen jeden, auch gegen die Pflegekräfte.
Wie erklären Sie sich diese zunehmenden Aggressionen?
Es gibt keinen Respekt mehr. Früher hatte man auch mehr Mitgefühl mit anderen und es wurde zum Beispiel gesagt: ‚Der ist viel kränker als ich, behandeln Sie den zuerst.’ Das gibt es nicht mehr, sondern jetzt ist sich jeder selbst der Nächste. Jeder will seine Interessen durchsetzen. Das ist meiner Meinung nach mit eine Ursache für diese Entwicklung.
Haben Sie Angst, wenn Sie im Einsatz sind?
Ja. Ich hoffe im Innersten, dass sich so etwas nicht häufiger ereignet. Aber es ist leider kein Einzelfall. Ich habe geschworen, den Menschen zu helfen. Auch wenn mich jemand anpöbelt, werde ich natürlich versuchen, ihm zu helfen.
Die Bundesärztekammer fordert, das Gesetz zum Schutz von Polizisten und Rettungssanitätern auf Ärzte auszuweiten. Haben Sie weitere Vorschläge?
Ich setze mich zusätzlich für mehr Prophylaxe ein.
Wie könnte die aussehen?
Wenn die Leitstelle einen Notfall bekommt, bekommen sie Name und Adresse des Patienten. Aber man hat nie einen Hinweis darauf, ob es da schon einmal brenzlig geworden ist. Die Polizei hat eine Gefährder-Datei, die uns hier weiterhelfen könnte, die Situation besser einzuschätzen. Ich habe dazu schon mehrere Anträge eingereicht, bislang heißt es leider, dass das datenschutzrechtlich nicht möglich ist. Ich werde es weiter anstreben, weil es die eine oder andere Verletzung verhindern könnte.
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