Mittagsschlaf während der Hitze: Siesta auch in Deutschland?

München - Fallen Sie mittags auch in ein Tief? Gerade jetzt im Sommer drücken die schwülen Temperaturen zusätzlich auf die Energiereserven. So mancher wird sich daher aktuell wünschen: Hitze-Pause statt acht Stunden am Stück werkeln. Dem kommt ein Vorschlag der Amtsärzte entgegen: Siesta auch in Deutschland!
So, wie man es aus Sehnsuchtsländern wie Spanien kennt. "Wir sollten uns bei Hitze an den Arbeitsweisen südlicher Länder orientieren: Früh aufstehen, morgens produktiv arbeiten und mittags Siesta machen, ist ein Konzept, das wir in den Sommermonaten übernehmen sollten", sagte der Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD), Johannes Nießen, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Hitze beansprucht menschlichen Körper zunehmend
Warum? "Bei starker Hitze sind Menschen nicht so leistungsfähig wie sonst." Wenn man dann auch nachts schlecht schlafe, weil es nicht richtig abkühlt, störe das die Konzentration zusätzlich. Deswegen empfiehlt der Mediziner: Komplexe Aufgaben lieber in die frühen Morgenstunden schieben. Auch sonst regt er ein Umdenken an. Neben ausreichend Ventilatoren spricht er sich für leichtere Kleidung aus, "auch wenn die Kleiderordnung im Büro das nicht erlaubt".
Rückenwind bekommt er von Dr. Oliver Abbushi aus Deisenhofen. Er ist der Bezirksvorsitzende München vom Bayerischen Hausärzteverband. Er sagt zur AZ: "Aus gesundheitlichen Gründen wäre das grundsätzlich zu begrüßen." Die Hitze - also 30 Grad plus - sei eine große Belastung für den menschlichen Körper. "Eine Pause in der besonders heißen Tageszeit würde dem Körper Gelegenheit geben, sich zu regenerieren." Deswegen findet er einen Mittagsschlaf, etwa eine Stunde gegen 14 Uhr, "sehr empfehlenswert". Soweit die Theorie.
Auch ein Powernap hilft schon
Ihm ist aber natürlich klar, dass das für Berufstätige bisher wohl eher "eine schöne Vorstellung" als der Normalfall sein dürfte. Deswegen sagt er, dass auch schon ein kleines Powernap von etwa zehn Minuten energetisch helfen könne. Sollte sich diese kurze Möglichkeit also im Berufsalltag bieten: Augen zu!
Ansonsten empfiehlt Abbushi Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten: der Sonne - soweit möglich - aus dem Weg gehen, eine Kopfbedeckung aufsetzen, genügend trinken, keinen Sport in der Hitze, sondern lieber eine Runde am Abend drehen. Plus: leichte Kost zu Mittag, dazu Vitamine und Obst. Selbst Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) meldete sich am Dienstag bei Twitter zu Wort: "Siesta in der Hitze ist sicherlich kein schlechter Vorschlag." Seiner Einschätzung nach ist dabei jedoch nicht die Politik gefragt: "Das sollten aber Arbeitgeber und Arbeitnehmer selbst aushandeln."
Wirtschaft blockt Siesta-Vorschlag ab
Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), ist nicht begeistert. Er teilt der AZ mit: "Aus Sicht des Arbeitsschutzes in den Unternehmen benötigen wir eine solche Siesta nicht." Viele Betriebe hätten bereits gute betriebsindividuelle Modelle zum Schutz bei Hitze entwickelt.
"Dazu gehören die Nutzung von Gleitzeitregelungen, die Lockerung von Bekleidungsregeln oder die Bereitstellung geeigneter Getränke." Er denkt auch an die Praxis: "Eine Siesta in den Mittagsstunden ist für die Industrie und im Schichtbetrieb praktisch nicht umsetzbar." Sie berücksichtige nicht eine etwaige maschinengebundene Arbeitszeit der Betriebe und darauf abgestimmte Schicht- beziehungsweise Arbeitszeitmodelle.
Brossardt sieht noch einen weiteren Nachteil: "Im Übrigen würde dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer durch eine Siesta ein Bärendienst erwiesen, da die Pausenzeit außerhalb des Betriebsgeländes der Sphäre des Arbeitgebers entzogen ist und damit funktionierende betriebliche Hitzeschutzmaßnahmen des Arbeitgebers nicht mehr greifen können."