Krieg und Frieden im Discounter: Norma hat neues, kurioses Angebot

Berlin – Mehl, Milch, Eier und mit Glück eine Tafel Markenschokolade finden Kunden normalerweise bei der Discounter-Kette "Norma". Doch in seinem Online-Sortiment "Norma24" bietet der Händler neuerdings neben Handtüchern und Aufbewahrungsboxen den "BSSD Defence PopUp Panikraum BS226" für 15.999 Euro an.
"PopUp" beziehe sich darauf, dass er leicht auf- und abgebaut werden könne, heißt es in der Beschreibung. Erhältlich ist er in zwei Varianten. Für einen Aufpreis kann auch Panzerstahl verbaut werden, der laut Produktbeschreibung bei Beschuss vor dem Kaliber 9 Millimeter bis zu 44 Magnum schützt.
Ein Trocken-WC und Magnetlichter gehören bei dem 2,23 mal 2,3 Meter großen Panikraum dazu.
Auch Sicherheitstüren, Atemschutzmasken und Varianten des Panikraums bietet der Discounter an. Sowie eine Schutzweste – die offenkundig vor Schüssen schützen soll, wobei das so explizit nicht in der Beschreibung steht. Was eigentlich nur noch fehlt, ist ein Stahlhelm.
"Gesteigertes Interesse an dem Thema Sicherheit"
Wie kommt ein Discounter zu so einem Sortiment? Nachgefragt bei Norma: "In den vergangenen Monaten haben wir aufgrund der politischen Weltlage ein gesteigertes Interesse an dem Thema Sicherheit und ein gestiegenes Bewusstsein für den Selbstschutz festgestellt, was sich nun in der Auswahl neuer Artikel bei ‚Norma24' niederschlägt."
Laut einer Sprecherin stellt der Vertriebspartner, der die Produkte im Onlineshop anbietet, eine deutlich steigende Nachfrage fest und suchte daher die Kooperation mit "Norma24". Wie groß die Nachfrage ist, dazu könne Norma noch keine Angabe machen, weil die Produkte erst seit Kurzem im Sortiment seien.
Berliner Firma wittert Chancen
Die Firma BSSD aus Berlin ist Vertriebspartner von Norma. Sie geht davon aus, dass die Nachfrage noch zunehmen werde, sagt Mario Piejde, technischer Leiter, der AZ. "Die Nachfrage ist generell seit 2014 gestiegen – das hat gar nicht so viel mit dem Ukrainekrieg zu tun, auch wenn das medial oft so dargestellt wird", sagt Piejde.
Er erhofft sich einen weiteren Schub von einem Schutzraumkonzept, das das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) noch heuer veröffentlichen will: "Dann geht das durch die Decke!"
In einer kleinen Anfrage der FDP vom Vorjahr heißt es seitens der Bundesregierung, dass bei möglichen Raketen- und Drohnenangriffen deutliche kürzere Vorwarnzeiten vorherrschen und deshalb frühere Bunkerschutzmöglichkeiten ausscheiden.
Noch sei es für viele Leute zu abstrakt, dass ein Krieg ausbrechen könnte. Das würde sich aber aus Sicht von Piejde ändern, wenn der Staat explizit zu solchen Maßnahmen rät und damit auch einräumt, dass ein Krieg kommen könnte.
Er erwartet, dass das Sondervermögen für die Verteidigung noch einiges auslösen werde.
Der feine Unterschied: Keine Bunker!
Eins ist Piejde wichtig: In Medienberichten habe es geheißen, er verkaufe Bunker bei Norma24. Seine Firma biete Komponenten an, etwa Türen oder Notausstiegsdeckel, um sich selbst einen Schutzraum zu bauen. Der Panikraum, der im Angebot ist, habe einen anderen Zweck. Gedacht sei das Konzept dazu, dass man zumindest als Mieter seine Vorräte sichern kann: "Ein Raum, den ich auf- und wieder abbauen und transportieren kann."
Völlig neu ist das Angebot noch für Bernd Ohlmann, Sprecher des Handelsverbands Bayern. "Das scheint noch eine Nische zu sein, aber es ist davon auszugehen, dass die Konkurrenz genau beobachtet, wie sich das verkauft", sagt Ohlmann der AZ.
Dass die Menschen ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis hätten, sei bekannt. "Dass es in ausgewählten Fachgeschäften Abwehrspray gibt, ist hingegen nichts Neues", so der Sprecher.
Schutz gehört diskutiert
Cony Lohmeier ist Psychologin und arbeitet als Coach und Supervisorin. "Direkte Kriegsangst erlebe ich in meiner Arbeit weniger als die Sorge um die Menschen in der Ukraine – auch in Russland – gerade von Personen, die dorthin einen Bezug haben", sagt die Psychologin.
Aber dass viele Münchner verunsichert sind, wegen des russischen Überfalls der Ukraine, sieht Lohmeier ebenfalls. "Das verstärkt dann oft Ängste, die bereits vorhanden sind", sagt die Psychologin. "Dass Menschen sich schützen wollen, ist nachvollziehbar", sagt Lohmeier angesichts der Angebote bei "Norma24".
Aus ihrer Sicht gehöre es öffentlich diskutiert, welche Maßnahmen gegen welche Gefahren tatsächlich schützen können. Es sei richtig, dass das BBK ein Konzept zum besseren Schutz der Zivilbevölkerung entwickle.
Lohmeier gibt zu bedenken, dass kugelsichere Westen eben nur vor Schüssen schützen, nicht jedoch vor Bomben. Ebenso nachvollziehbar sei das Bedürfnis, sich nicht von ständiger Angst überwältigen zu lassen, sagt Lohmeier im Gespräch mit der AZ. Sie sieht auch einen Unterschied bei den Geschlechtern: Frauen seien eher bereit, Ängste anzuerkennen und auszusprechen, sagt Lohmeier.
Das zeigt sich auch bei BSSD. Rund 70 Prozent der Kunden sind laut Piejde Frauen. "Das Bewusstsein hat sich geändert: Nicht mehr der Pool oder die neue Küche steht im Vordergrund, sondern der Schutz der Familie." Früher sei ein Bunker eher ein Männerspielzeug gewesen.
Die Firma hat große Pläne: BSSD wird im kommenden Jahr mit der Firma Glatthaar kooperieren, die Marktführer für Keller in Europa sei. "Da werden wir bestimmt 1000 Schutzräume im Jahr bauen", sagt Piejde.