EHEC: Die deutsche Seuche

In vielen europäischen Ländern und sogar in den USA erkranken Menschen an EHEC– alle Patienten waren zuvor in Norddeutschland. Die Behörden geraten in die Kritik.    
von  kuk
Er war an der Sequenzierung beteiligt: Der Bakteriologe Holger Rohde vom Universitätsklinikum Eppendorf zeigt auf den genetischen Code des EHEC-Erregers.
Er war an der Sequenzierung beteiligt: Der Bakteriologe Holger Rohde vom Universitätsklinikum Eppendorf zeigt auf den genetischen Code des EHEC-Erregers. © dpa

In vielen europäischen Ländern und sogar in den USA erkranken Menschen an EHEC– alle Patienten waren zuvor in Norddeutschland. Die hiesigen Behörden geraten zunehmend in die Kritik.

München - Hierzulande atmen Mediziner erstmals kurz auf, international geht die Angst vor EHEC erst richtig los: Wissenschaftler haben das Genom des gefährlichen Erregers entschlüsselt, bundesweit gab es zudem offenbar einen leichten Rückgang der Neuinfektionen. Dennoch: Weltweit mehren sich die Warnungen vor europäischem Gemüse, spanische Landwirte stehen vor dem Ruin. Als EHEC-Trägerland, das die Seuche nicht in den Griff bekommt, gerät Deutschland international in die Kritik.

Immerhin: Der gemeinsame Feind ist nun genauer bekannt. Das neue entdeckte Darmbakterium ist eine Kreuzung aus zwei bekannten Serotypen des Escherichia-coli-Bakteriums. Kein völlig neuer Erregertyp also, sondern eine Art Hybrid-Klon, der Eigenschaften unterschiedlicher Erreger in sich vereint, so der Mikrobiologe Helge Karch von der Uniklinik Münster.

Nach WHO-Angaben gibt es Infektionen mittlerweile auch in Österreich, Tschechien, Dänemark, Frankreich, den Niederlanden, Norwegen, Spanien, Schweden, der Schweiz, Großbritannien und den USA. Fatal: Alle Patienten sollen sich zuvor in Norddeutschland aufgehalten haben.

Die Wut auf Deutschland ist vor allem in Spanien groß. Zwar ist dort bislang erst eine Person an EHEC erkrankt, die spanischen Landwirte haben nach der Gurken-Warnung durch Hamburger Behörden jedoch Millionenverluste gemacht. In Valencia schütteten erboste Bauern ihr Gemüse vor das deutsche Konsulat.

Bei einem Telefongespräch mit Ministerpräsident José Luis Rodriguez Zapatero versuchte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nun, die Gemüter zu beruhigen. Spanien hatte zunächst angekündigt, Schadenersatz einzufordern, jetzt fand man doch einen Kompromiss: Merkel und Zapatero wollen sich auf europäischer Ebene gemeinsam um Finanzhilfen für die betroffenen Landwirte bemühen. Gleichzeitig verteidigte Merkel, den deutschen Warnschuss. Deutsche Behörden seien verpflichtet, die Bürger in allen Phasen zu informieren und die Analyseergebnisse an das europäische Schnellwarnsystem zu übermitteln.

Abneigung gegen europäisches Gemüse gibt es nun auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten, dort gilt ein Einfuhrstopp auch für Gurken aus Deutschland. Russland hat einen Importverbot für Gemüse aus der gesamten EU verhängt. Auch die Grenzkontrollen wurden dort verschärft.

Reisende aus der EU – besonders jene aus Deutschland – werden bei der Einreise inzwischen auf EHEC-Symptome überprüft. Auch in Singapur hat das Gesundheitsministerium alle Ärzte angewiesen, nach Infektionsmerkmalen Ausschau zu halten und diese den Behörden zu melden.

Ein schneller Durchbruch im Kampf gegen EHEC könnte international die Wogen glätten. Bei der Suche nach Therapie und Schutz gegen den Keim erwarten Forscher bald konkrete Ergebnisse. Bislang können die Ärzte nur das Krankheitsbild behandeln, nicht aber gegen den Erreger selbst vorgehen. Vergleichsuntersuchungen mit anderen Keimen könnten auch Hinweise zu seiner Quelle liefern.

Warum diese so schwer zu finden ist? Auf jedem Stück Gemüse finden sich Millionen Bakterien. Ein einziges könnte den Treffer liefern. Ausgerechnet das Allerweltsbakterium E.coli ist in der Umwelt massenhaft vorhanden. Außerdem: Wer erinnert sich noch, ob auf dem Burger von vor drei Wochen ein Salatblatt klebte? Bioterroristische Angriffe schließt die Bundesregierung ebenfalls aus. Auch bei dem Fund von ungefährlichen EHEC-Erregern auf italienischer Hirschsalami in Österreich handelt es sich offenbar um einen Einzelfall.

„Es ist nicht klar, ob die Quelle überhaupt noch aktiv ist“, sagt Mikrobiologe Alexander Kekulé von der Uniklinik Halle der AZ. Davon auszugehen sei, dass der neue Keim durch Antiobiotikagabe entstanden ist. „In Frage kommt der Mensch als erster Ausscheider oder die Kuh in der Landwirtschaft.“

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