Digitales Tanken: Interessensverband schlägt Alarm

Die Ryd-App soll - so die Idee - das Tanken in Europa revolutionieren. Ein Interessensverband sieht darin eine Gefahr - etwa für Arbeitsplätze.
Leonie Fuchs |
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Den Sprit auffüllen, per Smartphone-App die Rechnung begleichen, weiterfahren - so lautet das Geschäftsmodell der Firma Ryd.
Den Sprit auffüllen, per Smartphone-App die Rechnung begleichen, weiterfahren - so lautet das Geschäftsmodell der Firma Ryd. © imago images/Rolf Poss

München - Nach dem Tanken gehen die meisten Autofahrer hierzulande zum Zahlen noch an die Kasse der Tankstelle. Technisch wäre es zwar möglich, die Rechnung per Smartphone-App zu bezahlen, doch das Modell hat sich noch nicht durchgesetzt.

Bezahlung an der Tankstelle bald via Handy?

Oliver Götz (57), Gründer und Executive Chairman des Münchner Start-up-Unternehmens Ryd, möchte das ändern. Er ist sich sicher: Ryd werde den Bezahlvorgang und damit das Tanken in Europa revolutionieren - und zwar per Smartphone-App oder durch "In-Car-Payment".

Oliver Götz.
Oliver Götz. © Ryd

Wie funktioniert die Ryd-App?

Ryd Pay schließt an die bestehenden Tankstellen-Kassensysteme an, die Installation ist für die Betreiber kostenlos. Kunden können die App über den Apple Store oder den Google Play Store für iPhone und Android herunterladen. Wenn der Tank bald leer ist, zeigt die Anwendung die nächste Tanksäule und die Benzinpreise an. Der Bezahlvorgang geschieht digital: Die Kunden wählen per Software ihre Zapfsäule aus, füllen ihren Kraftstoff auf und können im Anschluss ihre Rechnung über Ryd Pay abwickeln. In Corona-Zeiten sei der Service ideal, so der Gründer. "Über die App können Kontakte vermieden, beziehungsweise reduziert werden."

3.000 Tankstellen in sieben Ländern machen mit

Die Bezahlung über die Software Ryd Pay ermöglichen schon über 3.000 Tankstellen in sieben Ländern - darunter Deutschland, Schweiz und Österreich. Mercedes und Mastercard sind als Partner mit an Bord. Insgesamt könne das Start-up 104 Millionen Nutzer in Europa erreichen.

Ryd ist nicht alleine auf dem Markt. Auch Bertha Pay, eine Mercedes-Tochter, bietet die Ryd-Technologie an. Und der Wettbewerber Fillibri wirbt damit, durch den digitalen Helfer nie wieder an der Kasse warten zu müssen.

Kritik am digitalen Bezahlen an der Tankstelle wird laut

Herbert W. Rabl (68), Sprecher des Tankstellen-Interessenverbandes (TIV), sieht diese Entwicklung kritisch. Er sagt der AZ: "Wenn sich diese App durchsetzt und an bestehende Kassensysteme der Tankstellen andockt, wäre das ein Dolchstoß für jeden Tankstellenbetreiber und ein Skandal." Das Geschäftsmodell der Tankstelle basiere darauf, dass Kunden den Shop betreten und etwas kaufen. 60 Prozent des Umsatzes finden demnach dort statt. Der Spritverkauf macht 20 Prozent des Erlöses aus - der Pächter bekommt einen Cent Provision pro verkauftem Liter. 20 Prozent werden über weitere Services wie Waschen eingenommen."

Herbert W. Rabl.
Herbert W. Rabl. © Vogt

 

Gesellschaften seien sonst die Totengräber ihrer eigenen Tankstellen

Wenn Mineralölkonzerne wie Shell, BP oder Total die Bezahlung über das Kassensystem "auf dem Rücken unserer Mitglieder, den Pächtern zulassen", sei dies grob fahrlässig. Ein Rahmenvertrag zwischen den Konzernen und Ryd müsste laut TIV regeln, dass die Kunden weiterhin zum Zahlen das Geschäft betreten müssten. Die Gesellschaften seien sonst die Totengräber ihrer eigenen Tankstellen. Die App mache langfristig den Shop-Markt kaputt und gefährde so Tausende von Arbeitsplätzen: "In Deutschland haben wir 14.500 Tankstellen, die zu einem großen Teil von Familien geführt werden."

Kaufen die Kunden dann nicht mehr im Tankstellen-Shop ein?

Götz wiederum glaubt nicht, dass die Geschäfte darunter leiden und sieht "In-Car-Payment" als "Zukunftstechnologie". 40 Prozent der Kunden würden sowieso nur rasch tanken wollen, weitere 40 Prozent nur im Laden einkaufen. "Studien unserer Tankstellenpartner zeigen: Digital Fueling hat keinen negativen Einfluss auf den Shop-Umsatz. Ganz im Gegenteil!" Ryd ermögliche es, das Sortiment auf diejenigen Kunden auszurichten, die dort auch etwas kaufen wollen.

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Auch Automobilhersteller würden an der Zukunftstechnologie arbeiten - und zwar nicht nur für das Tanken, sondern etwa auch für die Themen Waschen, Laden, Parken, so Götz. Der Vorteil für Betreiber bestehe darin, dass sich keine Schlangen mehr vor den Tanksäulen bilden würden.

Digitalisierung macht auch vor Tankstellen keinen Halt

Und der Gründer geht noch einen Schritt weiter: Künftig werde ein "Smart Car" ("intelligentes Auto") angestrebt - in dem nicht nur die Zapfsäule per Fahrzeugmonitor ausgewählt, sondern auch der Morgenkaffee mitbestellt werden kann. Die Digitalisierung mache auch vor Tankstellen keinen Halt.

Dies sieht auch Rabl so. Doch müsse die Entwicklung langsam geschehen und von Mineralölkonzernen und dem Gesetzgeber systematisch umgesetzt werden. Eine App, die diesen Schritt heimlich, still und leise gehe, schade nur.

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