AZ-Kommentar: Lügenpresse!

AZ-Vize Timo Lokoschat hält die Wahl des Unworts für gelungen. Ob er wirklich die Wahrheit sagt oder wie gedruckt lügt?

Glaubt man manchen Online-Wüterichen, sitzt – während ich diese Zeilen verfasse – ein Presseoffizier der Zionisten (oder: Muslime, Amerikaner, Russen, Freimaurer, Bilderberger, Geheimdienste, Konzerne, Kommunisten, Massentierhalter, Banken, Außerirdischen – oder alle zusammen!) mit entsicherter Pistole hinter mir und bedroht mich, damit ich das Richtige schreibe.

Zum Glück ist dies nicht der Fall. Schade, dass die gelegentlich vermuteten Geldzahlungen ebenfalls ins Reich der Märchen gehören.

Die Realität sieht unspektakulärer aus: In der AZ, die sich als „kritisch-liberales“ Blatt definiert, gibt es keine Denkverbote, keine Maulkörbe, keine Selbstzensur. Wir gehen mit selbsternannten Verteidigern des Abendlands genauso hart ins Gericht wie mit Islamisten, kritisieren Israel und Palästinenser, Putin und Poroschenko, CSU und SPD, Tom und Jerry. Wir versuchen es zumindest.

Sicher: Dabei unterlaufen – auch uns natürlich – mitunter Irrtümer, es gibt einseitige Darstellungen, Fehleinschätzungen.

Aber der Vorwurf des systematischen Lügens, von gewissen Kreisen gegen „die Presse“ erhoben, ist absurd und demokratiefeindlich. Die Sprachjury hat eine gute Wahl getroffen.