Zweite Stammstrecke in München: Staatsregierung wusste früher von höheren Kosten

München - Was viele bereits ahnten, ist nun offiziell: Dass die zweite Stammstrecke viel teurer und der Bau sich länger hinziehen wird, wusste die von der CSU geführte bayerische Staatsregierung schon seit langem. Nur hat sie das vor der Öffentlichkeit geheim gehalten.
Das geht nun aus zwei Anfragen hervor, die der AZ vorliegen. Sowohl der Verkehrsexperte der FDP, Sebastian Körber, als auch der Sprecher für Mobilität von den Grünen, Markus Büchler, wollten genauer wissen, wer aus der bayerischen Staatsspitze, wann, was wusste. Schließlich taten alle überrascht, als diesen Sommer ans Licht kam, dass die S-Bahn-Röhre erst 2037 fertig und mit Kosten von 7,2 Milliarden Euro fast doppelt so teuer werden würde als zuletzt (offiziell) geschätzt.
Schon 2019 wurde eine mögliche Verzögerung erstmals thematisiert
In der Antwort des bayerischen Verkehrsministers Christian Bernreiter (CSU) lässt sich nun nachlesen: Bereits am 8. November 2019 thematisierte die vom Verkehrsministerium eingesetzte Baubegleitung erstmalig eine mögliche Verzögerung. Im April 2020 wurde außerdem eine Kostenerhöhung genannt: von 3,8 auf 5,2 Milliarden Euro. Nur ein paar Monate später musste diese Prognose nach oben hin korrigiert werden: Nun war von 7,2 Milliarden und einer Inbetriebnahme 2037 die Rede.
Grünen-Abgeordneter Büchler wirft Söder Vertuschung vor
2020 informierte die damalige Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU) die Staatskanzlei, also Ministerpräsident Markus Söder. Außerdem setzte sie den Bundesverkehrsminister ihren Parteikollegen Andreas Scheuer in Kenntnis.
"Der Ministerpräsident hat sich offensichtlich dafür entschieden, das Ganze zu vertuschen, und das ist ein Skandal", sagt Grünen-Abgeordneter Büchler. "Er muss nun erklären, warum er gar nicht reagiert hat." Tatsächlich kamen die schlechten Nachrichten für Söder zu einem schlechten Zeitpunkt: 2020 kämpfte er darum, Kanzlerkandidat der Union zu werden.
Auch Sebastian Körber von der FDP ist sich sicher: "Die bayerische Staatsregierung hat die Öffentlichkeit mindestens getäuscht." Wenn nicht belogen? Dieses Wort will Körber nicht in den Mund nehmen. Schließlich verweist das Verkehrsministerium in seiner Antwort auch immer wieder darauf, dass "belastbare Datengrundlagen" fehlten.
Doch Körber hält das für eine Ausrede. Schließlich setzte das Verkehrsministerium gleich fünf externe Bauexperten ein, die das Ministerium regelmäßig informierten. Gemäß der Verträge konnten die Ingenieure bis zu 240 Stunden pro Woche für die Projektbewertung aufwenden, heißt es in der Antwort auf Körbers Anfrage. Alleine für die Baubegleitung sei ein Millionenbetrag aufgewendet worden, schätzt Körber. Trotzdem sollen diese Daten nicht belastbar gewesen sein?
Was genau das Projekt so sehr verzögert, ist noch unklar
Markus Büchler ärgert nun vor allem, dass die bayerische Regierung weiterhin "so mauert". Schließlich sei noch immer nicht bekannt, was genau das Projekt so sehr verzögert.
Der bayerische SPD-Chef Florian von Brunn fordert deshalb, dass der Landtag den gesamten Vorfall noch einmal untersuchen soll. "Wir sind klar der Auffassung, dass die Öffentlichkeit hinters Licht geführt wurde." Mehr Klarheit könnte es am 10. Oktober geben. Da ist eine Sondersitzung des Verkehrsausschusses im Landtag anberaumt. Auch ein Vorstand der Bahn soll kommen.
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