Zweibett-Zimmer für alle?
MÜNCHEN - Gut gemeint – aber auch wirklich besser? Wie Kassenpatienten in Münchens Kliniken zu liegen kommen, was sich durch kleinere Räume ändern würde, was die Betroffenen zu den Vorschlägen sagen.
„Oh, wir werden fotografiert, Mensch, wo die Friseuse doch noch gar nicht da war, die mir jeden Tag die Haare macht.“ Petra Guettner dreht sich zu ihren Zimmergenossinnen um. Alle lachen. Sie sind zu dritt in dem Zimmer auf Station zwei in der Chirurgischen Klinik in der Nußbaumstraße, ein viertes Bett steht derzeit leer. „Ein Einzelzimmer wäre der Horror für mich, ich würde mich auf den Gang rausschieben lassen“, sagt die Verkäuferin, die am Bein operiert worden ist.
Natürlich hat sie mitbekommen, was Jens Spahn, der gesundheitspolitische Sprecher des Unionsfraktion, gefordert hat. Vierbettzimmer, sagte er, seien eine „ziemliche Zumutung“, es solle auch für Kassenpatienten künftig nur noch Zweibettzimmer geben – und Kliniken, die überhaupt noch Viererzimmer haben, sollen weniger Geld bekommen.
Seither wird diskutiert.
„Soll der Herr Spahn doch herkommen, damit er sieht, wie es hier ist“, sagt Guettners Zimmergenossin. Der Damentruppe gefällt es zu dritt. Natürlich gibt es auch andere Beispiele. Wenn von vier Patienten zwei schnarchen, der Besuch des Nachbarn zu laut ist oder einer nachts dauernd aufs Klo muss. Aber derartige Situationen gibt es immer seltener. Weniger als zehn Prozent der Zimmer hier haben vier oder mehr Betten. In München sinkt die Zahl der Mehrbettzimmer seit Jahren.
„In den städtischen Kliniken sind Zweibettzimmer der Normalfall“, sagt Sprecher Michel Rodzynek. So gibt es in Bogenhausen nur noch Zweibettzimmer, in anderen Kliniken werden Dreierzimmer „in der Regel mit zwei Patienten belegt“. Wird modernisiert oder neu gebaut, verschwinden die Mehrbettzimmer ganz. Wie beim geplanten Neubau des Harlachinger Krankenhauses.
"Seit Jahren geht der Trend zum Zweibettzimmer“, sagt Günther Leimberger, Verwaltungsdirektor der Rotkreuzkliniken. In der Frauenklinik in der Taxisstraße gibt es nur Zweibettzimmer, im Rotkreuzklinikum Nymphenburger Straße sind es nach der Sanierung des Mittelbaus nur noch 23 Prozent Dreibettzimmer, Vierer gibt es gar keine.
Würden Zweibettzimmer jetzt zur Pflicht, käme das teuer. „Gerade in der Innenstadt gibt es denkmalgeschützte alte Gebäude mit sehr großen Räumen“, sagt Tatjana Catsch, Sprecherin der Münchner Unikliniken.
Spahn hatte gesagt, die Kliniken könnten „ohne Probleme“ umstellen. „Wir könnten nicht einfach das dritte Bett rausnehmen“, sagt Tanja Schmidhofer vom rechts der Isar. „Wir sind voll ausgelastet.“ Ein Drittel der Zimmer sind Dreier und Vierer. Man müsste also umbauen. Und erweitern, weil Zweibettzimmer mit eigenem Bad mehr Platz bräuchten. Zahlen müsste der Steuerzahler.
Die Kliniken würden bei einer Umstellung außerdem bluten, weil ihnen Zuschläge flöten gingen: Denn die Privatkassen zahlen kräftig dafür, dass ihre Versicherten nicht in Mehrbettzimmern liegen und Kassenpatienten müssen selbst zahlen, wenn sie hochgestuft werden wollen (siehe Kasten), „Diese Zuschläge bekommen wir nur, wenn Zweibettzimmer nicht die Regelleistung sind“, sagt Schmidhofer. Spahns unterschwellige Unterstellung, Kliniken würden wegen der Zuschläge ihre Mehrbettzimmer erhalten, weisen die Krankenhäuser empört zurück.
Spahns Szenario, dass schwerkranke Krebspatienten in Vierbettzimmer liegen, hält Tatjana Catsch für Stimmungsmache. „Wer mehr Ruhe braucht, kommt, wenn es irgendwie geht, ins Zweibettzimmer. Bei der Belegung ist Fingerspitzengefühl gefragt.“ Im Vierbettzimmer liegt auch Anne Zimmermeister. seit fünf Wochen ist sie in der Klinik. Sie hat schon viele Klinikaufenthalte hinter sich. „Im Zweibettzimmer höre ich das Schnarchen auch. Und wenn man dann jemanden hat, mit dem man sich nicht versteht, hat man keine Auswahl“, sagt sie. drei sich ein Zimmer teilen.“
Die Frauen sind besonders froh, dass es ein eigenes Bad und Klo gibt – das ist in Münchens Kliniken nicht in allen Zimmern so. Auch nicht in den Zweibettzimmern. Michel Rodzynek von den städtischen Kliniken: „Unsere Patienten sagen uns oft: Ein eigener Sanitärbereich ist wichtiger, als ob zwei oder ddrei sich ein Zimmer teilen.“
Tina Angerer
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